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Karmøygeddon Festival 2011

2011-05-19
Stadt / City Haugesund 
Land / Country NOR 
Web www.karmoygeddon.no
 
Veranstaltungsort:
Location
Byscenen 
Datum / Date6.-7.5.2011 

Das Festivalangebot meiner finnischen Heimat lässt keine großen Wünsche offen, aber manchmal ist es schön, sich zur Abwechslung ganz woanders umzusehen. Die Fjordküste von Westnorwegen ist auch ohne besonderen Anlass ein traumhaftes Reiseziel, und die Kombination der fast nie live spielenden Einherjer mit einigen anderen Lieblingsbands ist allemal ein guter Grund.

Karmøygeddon, ein zweitägiges Metalfestival in einem großen Club in Haugesund, ist nach der nahegelegenen Insel Karmøy benannt, laut Grußaufschrift am Flughafengrbäude "Homeland of the Viking Kings". Was durchaus wörtlich zu nehmen ist, denn hier gründete Harald Schönhaar um 870 herum Norwegens ersten Königssitz.

Freitag, 7.5.2011

Ungeachtet dieser historischen Größe ist Haugesund eines überschaubares Städchen mit Werften, Fischerei und charmanten Holzhäusern jeden Alters. Ein Stadtbummel am Freitagnachmittag führte mich in einen mit Karmøygeddon-Shirts dekorierten Plattenladen, Shabby Records, der wohl selber schon auf eine beachtliche Geschichte zurückblickt. Wie sich herausstellte, war der nette Eigentümer gleichzeitig Bassist der ersten Band des Festivals, und ich versprach gerne, mir selbige von Anfang an anzuschauen.


Es handelte sich um Zeno Morf - klare Lokalfavoriten, die meiner Information nach bereits das allererste Karmøygeddon vor acht Jahren eröffnet hatten. Obwohl es erst 17:00 am Freitagnachmittag war, war der Saal bereits gut gefüllt. Zeno Morf lieferten geradlinigen, in den Achtzigern verwurzelten Hardrock/Metal, der erwähnte Bassist durfte während einiger Solomomente in "Wings Of Madness" glänzen und der Sänger erinnerte mich streckenweise an Aaro Seppovaara von Blake. Stilistisch war es nicht das, was ich angesichts der Headliner als Opener erwartet hatte, aber ihren Job, die Party in Gang zu bringen, erledigten sie mit einer satten Dosis positiver Energie.


Und was hätte ich erwartet? Naja, immerhin handelte es sich um Norwegen. Die nächste Band Elite zeigte sich der Tradition ihrer Heimat verpflichtet - dem ruhigen akustischen Intro folgte der schwärzeste Metal des Wochenendes. Die Axt auf dem Bühnenboden ließ befürchten, dass sich die Brutalität nicht ausschließlich auf die Musik beschränken würde, aber netterweise reckte Sänger Bent Arne Mathisen sie lediglich ab und zu in die Luft, ohne irgendwelche Personen- oder Sachschäden zu verursachen. Leider hinterließ die Band allerdings auch sonst keine bleibenden Eindrücke. Sie waren zwar durchaus nicht schlecht, aber zumindest bei dieser ersten Hörprobe fiel mir nichts auf, was Elite von den Tausenden ähnlicher Blackmetalbands unterschieden hätte, und letzten Endes waren sie mir - wie viele Vertreter dieses Genres - ein wenig zu monoton.


Die erste wirklich bekannte Band des Abends waren The Haunted aus Schweden, deren unbestreitbare Livequualität mir zuvor nur vom Hörensagen bekannt gewesen war. Die PA des Clubs war (glücklicherweise nur am ersten Abend) etwas zu weit aufgedreht, und nach dem Anhören zweier Bands ohne meine zuhause vergessenen Ohrenstöpsel gab ich auf und stopfte mir Klopapier in die Hörmuscheln, wodurch der Sound für den Rest des Abends etwas beeinträchtigt wurde. Dafür konnte freilich die Band nichts, und sie bot auch ansonsten keinen Grund zur Klage. Mittlerweile war auch der geräumige Balkon gut gefüllt, und Sänger Peter pflegte angeregte Kommunikation mit dem Publikum, das sein Schwedisch anscheinend bestens verstand. Was die Songs angeht, notierte ich mir gerade, dass "The Flood" das Highlight des Sets markierte, als die Jungs mit "No Ghost" nochmal ordentlich eins draufsetzten. Überhaupt war das neue Album massiv vertreten und machte gut die Hälfte des Sets aus. Andere Bands vermeiden bei Festivals neues Material und nudeln lieber alte Hits durch, aber sofern dem Karmøygeddon-Publikum Glauben zu schenken ist, funktioniert auch ein Satz Neuheiten, solange das Material stark genug ist.


Grave Digger hatte ich einmal zuvor gesehen, bei ihrem ersten Finnland-Gig vor einem Jahr. Damals wurde ihnen die undankbare Aufgabe zuteil, nachmittags bei einem Open-Air-Festival an einem kalten und stürmischen Regentag einer Handvoll zähneklappernder Leute einzuheizen, obendrein war Gitarrist Axel Ritt gesundheitlich so angeschlagen, dass er einen Teil des Gigs im Sitzen bestreiten musste. Der widrigen Umstände zum Trotz hatten sie eine respekteinflößende Show abgeliefert, aber es war nett, sie jetzt mal in einem etwas angemesseneren Umfeld und vor geneigterem Publikum zu sehen. Insbesondere "Ballad Of A Hangman" wurde kräftig mitgesungen. Etwas später vergnügten sich Band und Menge damit, einen zeppelinförmigen - vermutlich aus dem Kondomautomaten der Clubtoilette stammenden - Luftballon zwischen Bühne und Saal hin- und herfliegen zu lassen. Lustig war zuvor bereits das Intro gewesen, zu dem Keyboardskelett Hans-Peter Katzenberger mit Dudelsack auf die Bühne kam - passend zum Thema des aktuellen Albums, The Clans Will Rise Again. Hauptblickfang der Band ist jedoch Chris Boltendahl - kein überragender Sänger, aber immer für eine anständige Show gut.


Crimson Glory schienen eine Menge Fans zu haben, aber ich fand sie ehrlich gesagt ziemlich öde. Außerdem war ich seit fünf Uhr nachmittags vor Ort gewesen und kriegte allmählich Hunger, von akutem Koffeinmangel ganz zu schweigen. Eine kleine Pause war daher angebracht, denn der intensivste Teil des Abends stand noch bevor.


Primordial sind eine Band, deren brutale Emotionalität in ihrer Kompromisslosigkeit kaum ihresgleichen hat - weder im Metal noch sonstwo. Dies ist vor allem das Verdienst von Frontmann A.A. Nemtheanga, der seine Texte mit vermutlich mit seinem Herzblut schreibt und jede Note mit gnadenloser Intensität singt. Das neue Album Redemption At The Puritan´s Hand war soeben erschienen und ich hatte es erst unmittelbar vor Urlaubsantritt gekauft, so dass ich es vor dem Gig nicht mehr als zweimal zu hören geschafft hatte. Was jedoch kein Problem darstellte - die Songs sind typische Primordial-Qualität und überzeugen wie gewohnt auf Anhieb. Der Opener "No Grave Deep Enough" schaffte von Anfang an die richtige Atmosphäre, gefolgt vom Klassiker "Sons Of The Morrigan". "As Rome Burns" wurde Einherjer, Enslaved und Moonsorrow gewidmet, und ich hörte hinterher, dass Mitglieder aller drei Bands im Publikum vertreten waren. Die Widmungen waren damit noch nicht zuende - "Coffin Ships" galt einigen Iren in der Menge ("this is our song!"), und die Norweger - wie wir Finnen übrigens auch - haben eine eigene Zeile in der Hymne "Heathen Tribes". Viele Sänger mögen versuchen, sich für die Dauer der Show mit dem Publikum zu verbrüdern, aber wenigen gelingt es, ein so enges Band zu knüpfen. Nemtheanga ist die Authentizität in Person, unverfälscht und unzensiert. Eine Naturgewalt.


Samstag, 7.5.2011
Der warme Sonnenschein machte den Tag perfekt für einen Ausflug in die malerische Umgebung von Haugesund, und ich nahm den Bus nach Karmøy, um die eingangs erwähnten historischen Stätten aufzusuchen. Aus der eigentlichen Wikingerzeit sind zwar nicht mehr viele Überreste zu sehen, aber die Steinkirche auf dem Hügel ist nicht wesentlich jünger (13. Jahrhundert). Laut lokaler Überlieferung kommt das Ende der Welt nicht gemäß dem Mayakalender, sondern wenn die Spitze der neben der Kirche schräg aufragenden Felsnadel die Wand berührt. Eine knappe Handbreit fehlt noch... Nur einen kurzen Fußweg entfernt auf einer eigenen kleinen Insel befindet sich ein rekonstruiertes Wikingerdorf, dass ebenfalls einen Besuch wert ist.


Da der Bus zurück in die Stadt wochenends nur stündlich fährt, verpasste ich die erste Band (Fracture) und kam erst im Club an, als Chrome Division gerade anfingen. Hatte den Namen zwar schonmal gehört, konnte ihn aber nicht mehr auf Anhieb einordnen, bis ich mir den Gitarristen etwas näher anschaute. Zu sagen, dass er bekannt aussah, wäre übertrieben, aber es war tatsächlich Shagrath - ungeschminkt und in normalen Straßenklamotten. Die Musik weckte definitiv keine Dimmu-Assoziationen, Motörhead wäre deutlich näher dran. Eine etwas härtere Ausgabe von Volbeat käme Chrome Division ebenfalls recht nahe. Lederjacken, Rock´n´Roll, traditionelle Themen von "Booze, Broads & Beelzebub" bis "Trouble With The Law" - keine weiteren Fragen nötig. Das ausdrückliche Motto der Show war "we didn´t come to play, we´ve come to party", aber auch auf musikalischer Ebene wurde Spaß geboten. Das bellende Wah-Gitarrensolo nach der Zeile "release the hounds!" in "Bulldogs Unleashed" war nicht nur etwas für Hundefreunde. Und AC/DC´s "Whole Lotta Rosie" kommt immer gut an. Auch bei mir.


Als nächstes waren Lion´s Share aus Schweden dran und klangen wie eine Dio-Tributband mit Powermetaleinschlag. Besonders "Heavy Cross To Bear" hätte man für eine Coverversion halten können, obwohl es ein eigener Song der Band war. Später hörte ich , dass Lion´s Share am Ende ihres Sets tatsächlich "Heaven And Hell" gespielt hatten, was ich allerdings nicht mehr mitbekam, weil ich mich nach einigen Songs auf die Terrasse verzog und mir ein Freiluftbier genehmigte. Das Problem war dasselbe wie bei vielen Powermetalbands: der Sänger war technisch einwandfrei, aber die Band und die Songs klangen absolut austauschbar.


Was von den letzten drei Bands des Abends beileibe nicht behauptet werden kann - jede von ihnen ist ist für ihren unverwechselbaren Sound bekannt. Moonsorrow beispielsweise haben dies gerade erst wieder bestätigt, das neue Album Varjoina kuljemme kuolleiden maassa demonstriert ihre Einzigartigkeit in nachdrücklicher Weise und formte auch das Rückgrat des Sets; drei seiner vier Songs wurden gespielt. Wobei es eigentlich schade war, dass "Tulimyrsky" mit seinen gesprochenen Passagen usw. wohl etwas zu komplex für einen Festivalgig im Ausland ist. Das halbstündige Wikingerepos der EP von 2008 hätte sich perfekt in Umgebung und Kontext gepasst. Die finnischen Texte wurden sicher von den Wenigsten verstanden, aber die Wellenlänge stimmte und Ville Sorvali - dessen Cousin Henri diesmal fehlte; wie auf früheren Auslandsgigs wurde er durch Janne Perttilä vertreten - erklärte in seinen Ansagen, um was es in den Songs jeweils ging. Wobei die Aussage von "Kuolleiden maa" (in Ville´s words, "you and you and the bald guy up there, we´re all gonna die and that´s okay...") wohl auch ohne Erläuterung verständlich gewesen wäre. Es mag paradox klingen, aber selten wurde Finalität musikalisch so treffend ausgedrückt wie durch das mitten im Takt abgebrochene Outro von Marko Tarvonen, den einsam auf der leeren Bühne nachhallenden Drumbeat. Der Rest ist Schweigen.


Die letzte einheimische Combo des Abends war eine Band, die jemals live zu erleben ich seit langem die Hoffnung aufgegeben hatte. Einherjer hatten 2003 ein absolut brillantes Album veröffentlicht, Blot, und sich kurz danach aufgelöst - mit der Begründung, etwas Besseres nicht machen zu können und etwas Schlechteres nicht machen zu wollen. Damit wäre die Geschichte eigentlich zuende gewesen, aber vor zwei Jahren fand eine überraschende Reunion für drei Festivalgigs statt, darunter Wacken. Selbst von einem neuen Album war plötzlich die Rede. Und nun kamen sie vor meinen Augen beim Karmøygeddon auf die Bühne und hörten sich an, als hätte es nie eine Pause gegeben... Auch die Albumgerüchte wurden von Sänger Frode Glesnes höchstpersönlich bestätigt - soweit ich seine Ansage verstand, soll es im September soweit sein. Soweit der auf diese Ankündigung folgende neue Song, das pyrobefeuerte dreizehnminütige "Norron Kraft", Aufschluss gibt, dürfen wir uns auf ein weiteres hochinteressantes Album freuen. Auch der Rest des Sets war voller Leckerlis. Die Hälfte stammte vom überragenden Blot, kulminierend in der gänsehautverursachenden Zugabe "Einherjermarsjen"/"Ironbound", zu der es Konfetti regnete. Ich will hoffen, dass dem kommenden Album eine Tour mit finnischen Daten folgt, doch wenn dem nicht so sein sollte, werde ich erst recht froh sein, diesen Norwegen-Trip unternommen zu haben.


Nach Einherjer stellten Amorphis beinahe eine Antiklimax dar, obwohl es an ihrer Show nichts zu meckern gab und auch der Sound in bester Ordnung war. Das Problem war nur, dass sich die Setliste in den letzten zwei Jahren nur unwesentlich geändert hat und das Ganze mehr nach Routine roch, als ich es mir gewünscht hätte. Der Fairness halber muss allerdings gesagt werden, dass dies der erste Amorphis-Gig in Norwegen seit 2007 war und somit ein guter Teil der Songs, insbesondere sämtliche von Skyforger stammenden, noch nie hier gespielt worden war. Obendrein war jene vorige Show in Oslo gewesen; für die Mehrheit des Publikums dürfte es insofern der erste Amorphis-Gig überhaupt gewesen sein, und ich hatte nicht den Eindruck, dass irgendwer enttäuscht war. Ich letztendlich auch nicht, denn etwa in der Mitte des Sets gab es dann doch etwas Neues auf die Ohren: die Live-Premiere von "You I Need", der ersten Single des kommenden Albums The Beginning Of Times. Eine schöne Pianonummer mit einigen wohldosierten Growls am Ende, kein Sofortmitsinger à la "House Of Sleep", "Silent Waters" oder "Silver Bride" (die natürlich auch allesamt gespielt wurden) aber mit deutlich mehr Livepotential, als es die Studioversion hätte vermuten lassen. Seit Eclipse wird immer wieder behauptet, dass die Singleauskopplungen von Amorphis die schwächsten Stücke der jeweiligen Alben seien. Sofern das auch in diesem - wahrhaftig nicht schwachen - Fall zutrifft, ist für Ende Mai Großes von dieser Band zu erwarten. Und hoffentlich auch bei den Sommerfestivals.

Fazit: der Kurzurlaub hat sich in jeder Hinsicht gelohnt. Ein schönes, gut organisiertes Festival in einem großen und trotzdem gemütlichen Club (in dem man das Bier mit vor die Bühne nehmen kann, was daheim in Finnland oft genug verboten ist...), eine malerische Umgebung und ein tolles Feeling - nicht zuletzt dank der Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Unkompliziertheit aller Beteiligten. Wärmstens empfohlen!


+ photos: Tina Solda


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9.5/10



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