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- Rezension: AUDIO CD -


Amorphis

2013-04-15
Titel / Title Circle 
Label Nuclear Blast  
Web www.amorphis.net
 
Gesamtspielzeit
Total run time
46:24 
Vö/Release19.4. 

Die Kunst mag das Leben imitieren oder das Leben die Kunst, doch ein großer Unterschied wird stets bleiben: wer im Leben ein Erfolgsrezept findet, tut gut daran, an diesem festzuhalten, aber wer dasselbe in der Kunst versucht, muss sich alsbald Stillstand, mangelnde Kreativität oder kommerziellen Ausverkauf vorwerfen lassen. Wie jedoch soll man sich von einmal erreichter Perfektion aus weiterentwickeln, ohne qualitative Kompromisse zu machen und diejenigen vor den Kopf zu stoßen, die man gerade erst beeindruckt hat?

Amorphis kennen dieses Dilemma schon seit längerer Zeit. Eclipse, Silent Waters und Skyforger (2006-2009) bildeten eine Trilogie, deren durchgehend makellose Qualität in der Metalszene ihresgleichen sucht, aber mit dem verdienten Erfolg wuchs der Druck auf die Band, sich nicht auf ihren Lorbeeren auszuruhen, sondern neue und andersartige Wege zu beschreiten. Die erste Antwort war The Beginning Of Times (2011), ein weiteres beeindruckendes Album mit einem progressiveren Ansatz, doch das komplexe, umfangreiche Werk erschloss sich selbst langjährigen Fans erst nach mehreren Hördurchgängen. Weniger geduldige GelegenheitshörerInnen taten es mehrheitlich als „schon wieder dasselbe“ ab, obwohl es einige von Amorphis’ brilliantesten Kompositionen enthielt. Der einzige nennenswerte Mangel in meinen Ohren war die eher zurückhaltende Rolle der Gitarren, besonders im Vergleich zu Skyforger. Im Vorfeld des neuen Albums Circle freute ich mich daher über die Ankündigung, dass der erstmals als Produzent für Amorphis tätige Peter Tägtgren die Betonung der Gitarren zur Chefsache gemacht hatte.

Der erste Song bestätigt selbiges auf Anhieb. „Shades Of Gray“ ist der brutalste Albumeinstieg der Band seit „Weaving the Incantation“, und Tomi Joutsens mächtiges “RRRAAAIII” macht einen auf Anhieb glauben, dass wir es mit dem härtesten Amorphis-Album denn je zu tun haben. Der Song wurde schon auf der Tour im Dezember letzten Jahres gespielt und machte reichlich Appetit auf das Album. Auf ihn folgt „Mission“, das wesentlich zarter losgeht, genauer gesagt mit einer schönen Bassmelodie von Niclas Etelävuori über dezente Akustikgitarren und eine Keyboardpassage, die an eine Spieldosenmelodie erinnert. Das Hauptriff ist Amorphis in Reinform, und Komponist Esa Holopainen lässt sich gegen Ende des Stücks zu einem verspielten Gitarrensolo hinreißen, was er sich auf dem Vorgängeralbum bei seinen eigenen Songs mehrheitlich versagt hatte. Saubere Arbeit!

So weit, so gut… doch der nächste Song ist ein erster Hinweis darauf, das Circle vielleicht doch nicht den neuen Gipfel des Schaffens von Amorphis darstellt. „The Wanderer“ wartet mit einer netten Melodie auf, ist aber weitgehend spannungslos und die Intensität bleibt durchweg auf demselben niedrigen Niveau. Ich dürfte nicht die einzige sein, die spätestens zum letzten Refrain einen Extrakick erwartet hätte, aber alles, was kommt, ist ein Tonartwechsel – Amorphis’ liebstes Stilmittel seit Karelian Isthmus und ein völlig legitimer Kunstgriff, aber auf Circle habe ich erstmals das Gefühl, ihn etwas zu häufig auf Kosten originellerer Lösungen zu hören. „Narrow Path“ weist zu einem gewissen Grade die gleichen Symptome auf; die flotte Folkummer setzt die große Tradition von „Brother Moon“ und „Song Of The Sage“ fort, lässt aber im Gegensatz zu diesen beiden den zusätzlichen Power-Boost zum Ende hin vermissen. Die einzige wirklich nennenswerte Schwäche dieses Songs ist jedoch der platte Refrain, der dem vielversprechenden Vers nicht gerecht wird. Die Art und Weise, in der Tomi „here´s my future“ singt, möge bitte nicht auf die Zukunft seiner Vokaltechnik verweisen. Hiervon abgesehen ist es ein toller Song und einer meiner Favoriten auf dem Album, woran auch Sakari Kukkos geniale Flötentöne nicht unschuldig sind.

„Hopeless Days“ wurde einige Wochen im Voraus als Single veröffentlicht, klang aber überraschenderweise gar nicht wie die typische Amorphis-Radiosingle. Mit ihrem donnernden Bass und den aggressiven Gitarren lieferte die Nummer einen beispielhaften Vorgeschmack auf Tägtgrens produktiven Input, und das Riff unter dem Keyboardsolo weckt gar Erinnerungen an das zwanzig Jahre alte „Exile Of The Sons Of Uisliu“. Aber komisch – bei den vier vorausgehenden Alben fand ich die Vorab-Singles stets etwas lahm und lernte sie erst im Gesamtzusammenhang zu schätzen. Diesmal merke ich, dass es mir umgekehrt geht. Nichts gegen den Song an sich, aber schon der vierte in Serie mit ausschließlich Clean-Gesang (abgesehen von den kaum wahrnehmbaren Backing-Growls im Vers von „Narrow Path“) auf dem, wie war das doch gleich, härtesten Amorphis-Album aller Zeiten? Und obendrein beschränkt auf eine einzige Oktave, als ob das untere Drittel von Tomis Stimmlage mit seinem ganzen erotischen Timbre schlichtweg nicht existierte. Was zum T…….

….eufel auch, endlich geht’s zur Sache! „Nightbird's Song“ tritt Arsch, als ob es kein Morgen gäbe. Tomi Koivusaari ist vielleicht nicht der produktivste Songschreiber des Kollektivs, aber wenn er sich drangibt, bleiben keine Fragen offen. (Wir sprechen von dem Mann, der uns auf dem letzten Album mit „My Enemy“ beglückte.) Was seinen Namensvetter angeht, liefert Herr Joutsen hier nicht nur die absolut fettesten Death-Growls seiner bisherigen Laufbahn, sondern das auch noch im Wechsel mit Black-Metal-Ausbrüchen, für die eigentlich ein Waffenschein nötig wäre. Wer einen Grund für den Kauf dieses Albums benötigt, braucht nicht weiter zu suchen. „Into The Abyss“ fährt wieder komplett auf der cleanen Schiene, aber mit einer interessanteren Melodie. Dieser Song besticht vor allem durch das im 7/4-Takt gehaltene Versriff, das sofort im Ohr hängen bleibt. Auf das kleine, aber feine Keyboardsolo folgt ein exquisites, David Gilmour huldigendes Gitarrensolo, das die Position dieses Stücks unter meinen Favoriten auf Circle zementiert. Auch „Enchanted By The Moon“ bestätigt, dass die zweite Hälfte des Albums stärker ist als die erste, und bietet ein drittes und letztes Mal anständigen Death Metal. So lieben wir Amorphis – brutal aber melodisch und ohne Furcht vor Experimenten, wie dem langsamen und würdevoll in die Länge gezogenen Outro.

Das Finale ist einer der Songs, für die Keyboarder Santeri Kallio in die Kirche ging – die beeindruckende Orgel der Helsinkier Paavalinkirkko ist auch auf einigen anderen Stücken zu hören, aber am deutlichsten auf „A New Day“. Ihre Feierlichkeit wird konterkariert durch einen lustigen Synthie-Break im Achtziger-Stil etwa in der Mitte des Songs. Die zweite Hälfte gibt noch einmal Sakari Kukko freien Spielraum und verpasst dem Album einen würdigen Ausklang, hätte aber meiner Ansicht nach instrumental bleiben sollen. Der am Schluss wiederholte Refrain klingt etwas zu gewollt und erinnert auf unangenehme Weise an die Schwäche dieser ansonsten eigentlich gelungenen Scheibe: die größtenteils seltsam kraftlos dargebotenenen Kehrverse (und deren, gemessen am normalen Amorphis-Standard, unoriginelle Melodien) sowie insgesamt das Versäumnis, die fantastische Stimme von Tomi Joutsen in vollem Umfang zu nutzen. Wo um alles in der Welt ist sein mitreißender rauh-melodischer Vokalstil geblieben, der so viel zum Ruhm seiner ersten drei Alben mit Amorphis beitrug? Und so schön seine klare Gesangsstimme ist, entfaltet sie diesmal nur selten ihr komplettes Potential. Vielleicht liegt es an den Texten – soweit ich es rein vom Hören her beurteilen kann, bleibt die Konzeptstory der spirituellen Wiedergeburt eines fiktiven Charakters ziemlich an der Oberfläche und es ist durchaus verzeihlich, Zeilen wie „he laughs at himself, now it’s easy to let go“ mit geringerer Leidenschaft zu singen als beispielsweise „I forge my wisdom into an arc surrounding all“.

Aber versteht mich nicht falsch – Kritik an Amorphis ist Meckern auf höchstem Niveau. Die Jungs wissen, wie man grandiose Songs schreibt und arrangiert, und auch Circle hat eine Menge zu bieten; Daumen hoch insbesondere für die Dominanz der Gitarren und die vielseitige Einbindung der Holzblasinstrumente von Flöte bis Kirchenorgel. Nächstes Mal noch ein paar mehr Kracher à la „Nightbird’s Song“, und der Platz im Olymp ist wieder gesichert.

1. Shades Of Gray
2. Mission
3. The Wanderer
4. Narrow Path
5. Hopeless Days
6. Nightbird's Song
7. Into The Abyss
8. Enchanted By The Moon
9. A New Day


Tina Solda


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8/10



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