STALKER - Printversion
- Rezension: AUDIO CD -


Der Blaue Reiter

2009-11-19
Titel / Title Nuclear Sun 
Label Ars Musica Diffundere 
Web www.myspace.com/derblauereitermusic
 
Gesamtspielzeit
Total run time
54:22 min. 
Vö/Release25.09.2009 

Sathorys Elenorth und Lady Nott aus Spanien präsentieren ihre dritte CD, eine Platte wie sie dunkler nicht sein könnte über eins der schrecklichsten Ereignisse der jüngeren Geschichte: Der Katastrophe von Tschernobyl, 26.April 1986. Im übertragenden Sinn jedoch über die Apokalypse an sich - herbeigeführt durch die Sünde menschlicher Vermessenheit – somit über die letzten Tage vor einer kommenden Katastrophe. Seit Tschernobyl sind 23 Jahre vergangen, doch Katastrophen dieser Art sind jederzeit, gleich jetzt, möglich. Jeder kann betroffen sein und sollte sich betroffen fühlen. In den melancholischen Harmonien voller Traurigkeit schwingt ein eisiger Unterton, der frösteln macht. Das Entsetzen, die Schmerzen und das Grauen der vergangenen Realität sind für Außenstehende nicht nachvollziehbar. Sich davon zu Musik inspirieren lassen, kann nur unter der Begründung verstanden werden, um einen Soundtrack zu unserer täglichen Ignoranz und Verdrängung zu erschaffen; über einen Sommertag, aus dem plötzlich eine Eiszeit werden kann.

Sathorys Elenorth und Lady Nott wirkten bislang auch in einem Projekt namens „Narsilion“ mit Klängen zwischen Folk und Neoklassik und weitestgehend akustischen Instrumenten, die auch jetzt in Form von Piano, Violine, Gitarre und anderen zum Einsatz kommen und sich mit Geräuschen, Synthesizern und Klangcollagen weitestgehend instrumental mischen. „The Children of Chernobyl“ bildet mit russischem Männerchor die makabre Einleitung, als sich die Ortschaft Prypjat noch in der freudigen Vorbereitung zum Volksfest am 1. Mai befand, das nie stattfand. Auf dem Festplatz steht noch heute verwaist das große Riesenrad. Ein Baby schreit, Kinder spielen… Die Soundcollage mischt sich mit traurig-süßem Piano, Streichern und Kirchenchor. „Fourth Reactor“ – im vierten Reaktor, der die Katastrophe auslöste, wird noch gearbeitet. Ein technischer Rhythmus metallischer Hämmer vermischt mit verzerrten Tonaufnahmen russischer Sprachfetzen bildet den Sound der zum Tode verurteilten Normalität. „Radioactive“ beginnt als stilles Klaviersolo, in das sich zischende Geräusche mischen wie der Atem kriechenden Entsetzens. Orgelklänge und harmonische, melodische Orchesterarrangements begleiten die finalen Tage der Region, doch „The Last Days of Pripiath“ weichen einer Mischung aus Horrorambiente und eingespielten Klängen von Albinonis „Adagio“ in G-moll; der Horror breitet sein tödlich verstrahltes Tuch über das Land mit einem verhaltenen, grausigen Klang. Umso erschreckender der Einsatz eines kraftvoll schmetternden russischen Chores zum „1st of May“. So hätte dieser Chor an diesem Tag den neuen Festplatz eröffnen sollen. Der weitere Teil der Platte äußert sich in orchestralen Klagen, Rezitationen und maschinellen bis teilweise fast militärischen Perkussionseinlagen. Die schleichende Melancholie ist einer dramatischen Szenerie gewichen, einer Aufarbeitung voller Beklemmung.

Sathorys Elenorth und Lady Nott haben es sich nicht einfach gemacht. Ihr Entsetzen ist deutlich spürbar. So wurde einerseits ein Requiem geschaffen, andererseits auch eine Reflexion über die Möglichkeit kommender Katastrophen. Eine Platte, die mehr vermittelt als Musik, sondern auch ein moralisches und engagiertes Anliegen. Doch auch die Musik, nur für sich selbst genommen, ist von eindringlicher Intensität, dabei aber zu atmosphärisch, um nicht Imaginationen der Beunruhigung und Irritation zu erzeugen.


Tracklist:
01. Main Titles (The Children of Chernobyl)
02. Fourth Reactor
03. Radioactive
04. The Last Days of Pripiath
05. 1st of May
06. The Fall of Light
07. Walking to the Abyss
08. Nuclear Sun
09. The Liquidators
10. End Credits (In Memoriam)



Andreas Torneberg


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8/10