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- Rezension: AUDIO CD -


Cult Of Luna

2013-01-29
Titel / Title Vertikal 
Label Omerch 
Web www.cultofluna.com
 
Gesamtspielzeit
Total run time
 
Vö/Release29.1.2013 

Was machst du als eine der wichtigsten Bands eines Genres, dessen beste Zeiten vorbei sind und nun im Sterben liegt, begleited von endlosen Gitarren-Tremolos und viel zu ernsthaften ausgelutschten Post-Rock-Klischees? Eine Möglichkeit ist, den Hipster-Haarschnitt aufzumöbeln, die Asche des toten Genres in den Wind zu streuen und der modernen Ikone Steve Jobs eine stille Träne nachzuweien, über deinem Frappuccino bei Starbucks.

Oder du sagst ”scheiss drauf”, erneuerst die Band und erschaffst ein Meisterwerk. Genau das haben Cult of Luna mit Vertikal getan. Dieses neue Album setzt die Reise der Band auf unerforschten musikalischen Wegen fort und ist das erste ohne Gründungsmitglied und Sänger Klas Rydberg. Wie schon beim Vorgänger Eternal Kingdom, wo sich das Thema um den Psychatriepatienten Holger Nilsson drehte, werden bei Vertikal Themen erforscht, und zwar die frühen deutschen expressionistischen Filme, vor allem Fritz Langs Metropolis aus 1927, obwohl Cult of Luna Mastermind Johannes Persson betont, dass bei Vertikal mehrere Einflüsse aus dieser Zeit zum Tragen kommen, nicht nur dieser Film. Dieses ambitionierte Ziel könnte leicht daneben gehen, aber Cult of Luna besteht diese Prüfung mit Bravour, und man fragt sich, was sie denn als nächstes machen werden.

Während Salvation, Somewhere Along The Highway und Eternal Kingdom warme und organische Klänge vorweisen, setzt Vertikal eher auf kältere, härtere Instrial-Klänge mit Synths, Samples und Loops. Es mag sogar zunächst ein Schock sein, aber nach ein paar Durchläufen scheint es eine natürliche Entwicklung und musikalische Evolution, die frischen Wind in ein Genre bringt, welches das auch dringend nötig hat.

Das instrumentale Intro The One stellt jene Melodie vor, die auch wieder in Songs wie The Sweep, Synchronicity und Passing Through auftauchen wird. I: The Weapon könnte einer der tollsten Momente in Cult of Lunas Karriere sein, wo umgesetzt wird, was CoL am besten können: intensive harte Bulldozer gehen ansatzlos in sanftere Töne über.

Der einzige Schwachpunkt des Albums: Vicarious Redemption schlängelt sich durch alle Aspekte ihrer jüngsten Karriere, angefangen vom Ambient von Salvation, übergehend in Klänge a la Somewhere Along The Highway, gefolgt von Salvation-ähnlichen Gitarren, Eternal Kingdom-ähnlichen Melodiestrukturen und schliesslich Klängen, die dem Schlusstrack ihres Audiobooks Eviga Riket ähneln. All das und dann noch die 20 Minuten Länge führen zu leichter Disorientierung, aber auch wenn dieser Song kein Volltreffer ist, ist er dennoch ziemlich gut.

The Sweep ähnelt dem Opener The One, mit Schwerpunkt auf Synth-Ambient und Drone, wo sich aber die Gesangslinien deutlich unterscheiden. Während der nächste Track Synchronicity wohl nicht der stärkste des Albums ist, hält er die Hörer gefangen mit einem seltsamen Feeling, bis in der Hälfte was passiert, den Song richtiggehend befreit und ihn natürlich fliessen lässt, bis er jenen Level erreicht, den auch das Album aufweist. Dann...

Mute Departure kommt, ohne Warnung, mit schweren Synths und Beats, die fast wie Nine Inch Nails rüberkommen. Da braucht man beim Zuhören mal schnell eine Sekunde, um das zu verdauen. Dann der nächste Überraschungsmoment, wenn dir klar wird, wie sehr die klare Stimme an den Machine Head Song The Burning Red erinnern; nicht nur die Stimmung, sondern auch die ähnlich klingende Stimme. Der Track beginnt mit den bereits erwähnten Synths und Beats sowie seltsamem klarem Gesang, ehe er förmlich explodiert und in kraftvolle Growls und hypnotischen Groove übergeht zu einem markerschütternden grandiosen Finale. Obwohl Mute Departure wohl den grössten Unterschied zwischen CoL heute und CoL davor darstellt, ist dieser Track – nach dem ersten Schock – das leuchtendste Juwel in dem Meisterwerk Vertikal, obwohl er diesen ”du liebst ihn oder du hasst ihn” Beigeschmack hat.

Disharmonia, ein 45 Sekunden langer Ambienttrack, und In Awe Of, einer der stärksten Tracks, bewegen sich auf bekannteren Cult of Luna Pfaden. Passing Through rundet das Album ab mit einer verträumten Note und Sounddimensionen, die man von den jüngsten Nine Inch Nails Alben kennt, sogar mit Trent Reznor-ähnlicher Stimme und eindringlichen Chören, der die Hörer in respektvolles Staunen versetzt. Auch wenn Schlüsselfiguren wie Klas fehlen, schaffen es Cult of Luna zu beweisen, dass sie ihren Status als Genre-Spitzenreiter nicht bloss einem Glücksfall verdanken, sondern dass es das Resultat ausgezeichneter Musikalität ist.

Gary Giggle, transl. K. Weber


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9/10