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Motor Music Festival 2008

2008-08-19
Stadt / City Rämsöö 
Land / Country FIN 
Web www.ramsoo.fi/mmf
 
Veranstaltungsort:
Location
Kesäteatteri 
Datum / Date16.-17.8.2008 
Bildergalerie / Picturegalerie MMF_2008 
Photos: Klaudia Weber 

Ein Mann, ein Akkordeon, und eine Reihe von (landwirtschaftlichen) Maschinen, die jede Menge Krach machen - das klang ja schon mal so vielversprechend, dass ich mich in der Tat nach Rämsöö (nahe Nokia bzw. Tampere) aufmachte, um mir das Motor Music Festival mit dem finnischen Ausnahmemusiker Kimmo Pohjonen reinzuziehen. Schon der Trip stellte sich abenteuerlicher raus als erwartet, gibt es doch keinen regelmässigen Pendlerverkehr direkt nach Rämsöö, das heisst entweder eigens gecharterte Festivalbusse nehmen - oder zirka 10 km zu Fuss latschen, von der am nächsten (!!) gelegenen Bushaltestelle...

Der am Samstag vorherrschenden hohen Luftfeuchtigkeit zum Trotz entschied ich mich für letzteres. Schon seltsam, vom Bus Tampere-Turku dann mitten in hügeliger Pampa förmlich "ausgesetzt" zu werden - eine Kreuzung, Wald, Wiesen, ein Schild "Bushaltestelle" und noch ein paar Hinweisschilder, sonst weit und breit nix. Die Strasse nach Rämsöö ähnelt auch eher einem Feldweg, der sich durch idyllische Landschaft schlängelt - Wälder, Pferdekoppeln, kleine Weizen- und Haferfelder, ein rauschender Bach mit Brücke, zwischendurch auch Häuser, hier leben tatsächlich Leute... nach zirka der halben Strecke war ich doch froh, dass eine mitleidiger Autofahrer auch einen triefnassen Anhalter zum Festivalgelände - dem Areal des örtlichen Sommertheaters - mitnahm.



Da nutzte ich schnell die Gelegenheit, die ringsum im Set für "Ronja Räubertochter" drapierten "Instrumente" aus der Nähe zu betrachten, ehe sie zum Einsatz kommen sollten (checkt die Fotogalerie): Kein Trick, kein Fake, in der Tat nur mit Mikro präpariert, alles live. Nungut, Wäschewringer, Schleifgerät und Kreissäge konnte ich erkennen, auch eine Dampfmaschine, doch teilweise blieb mir der ursprüngliche Verwendungszweck doch schleierhaft...



Die idyllisch gelegene Naturarena an einem Seeufer füllte sich in Rekordzeit, es mussten Zusatzsessel organisiert werden, obwohl das Wetter an diesem Tag nicht wirklich mitspielen wollte. Es regnete zwar nicht stark, aber ununterbrochen... das Tat der Stimmung aber keinen Abbruch.

Kimmo Pohjonen liess sich stilgerecht per Traktor zum Auftritt fahren, und ich kann in der Folge nur versuchen zu beschreiben, was sich dann abspielte, denn nicht nur Kimmo, auch dieser Auftritt ist wohl eine Kategorie für sich, wo Worte einfach nicht ausreichen... einfach "wirklicher Heavy Metal", wie auch ein Festival T-Shirt passend kundtat.



Diverse Maschinerie sorgte nicht nur live für Rhythmus oder Sound-Teppich, Kimmo hatte auch Samples der Maschinengeräusche und Farm-Sounds im Vorfeld aufgenommen. Sein selbst adaptiertes Instument ähnelt nun auch eher einem Synthesizer als einem herkömmlichen Akkordeon (Details dazu im Interview hier ), und sein Stil mischt Rock, Jazz, Folk, Klassik, Trance - oder so ähnlich. Ich kann hier nur empfehlen, seine Videos auf seiner Homepage oder YouTube anzuchecken und selbst eine Definition zu finden...



Der Einstieg blieb eher im Rahmen des Traditionellen, eine Schleifmaschine und später Kreis- und Kettensäge, live in Aktion gesetzt von fachkundingen Leuten aus Rämsöö, wurden spektakulär als Rhythmusgeber eingesetzt. Kimmo spielte mit den live-Sounds, immer wieder aber auch Samples nutzend, improvisierte mit verschiedenen Themen und Samples und setzte seine Stimme als zusätzliches Instrument ein. Die Gesamtwirkung: absolut faszinierend und hypnotisch, in der Tat eine Symphonie, wo die einzelnen "Instrumente" gemeinsam agierten, aber auch "Solo-Parts" hatten.



Dann Startschwierigkeiten - zunächst nur als Gag (Akkordeon-Sounds), doch die Dampfmaschine brauchte doch etwas mehr Hände, um schliesslich schwarzen Rauch spruckend und protestierend in die Gänge zu kommen. Wer hier noch nicht grinste - Kimmo hatte auch Schweinegrunzen gesampelt, aber nicht nur dass, er tat auch live sein bestes, die Tierchen möglichst treffend zu imitieren... und das Akkordeon wurde kurzerhand umgedreht und als Trommel umfunktioniert... eine Show voller Überraschungen, nicht nur musikalisch. Keine Spur von "klassischer" Konzertatmosphäre, und bei mindestens zwei Songs hätte auch Headbangen gut gepasst.... jedoch gab es zwischendurch zum Erholen auch ruhigere Momente mit folkloristischen Stücken aus dem herkömmlichen Akkordeon-Repertoire.



Zum Abschluss noch ein Highlight - völlig unerwartet ratterte ein Motorrad auf die Bühne, und es gab ein Wäschewringer - Akkordeon - Bike-Trio... Klar, dass nach diesem zirka einstündigen Spektakel der Applaus kaum enden wollte.



Konela (Samuli Kosminen, Percussion, Synth & Jukka Perko, Saxophon) traten in einer Maschinenhalle auf und nutzten im Prinzip dasselbe (und ebenfalls schwer zu beschreibende) Konzept: Live eingesetzte Maschinen (Metallstanzer, Schweissgerät), und deren Sound kombiniert mit Samples und Live-Musik, diesmal Saxophon und Synth, oder als Percussion-Instrumente genutzte Maschinenteile. Dazu eine hervorragend konzeptionierte Licht-Show, die enorm zur Wirkung der Performance beitrug.



Wenn der Schwerpunkt auf der Saxophon-Improvisation lag, hatte ich den Eindruck, dass die Maschinen-Sounds nur als Soundteppich dienten und nicht wirklich "inkludiert" wurden. Hinsichtlich Percussion wurde jedoch wörtlich "mit" den Maschinen musiziert, und auch hier ein Abschluss-Gag: Plötzlich öffnete sich das Hallentor - ein Terminator-Moment - ein riesiges Maschinenmonster davor, und es entspann sich ein Duell/Duett mit dem Saxophon, das gottlob von letzterem gewonnen wurde... atemberaubend, hoffentlich gibt es von diesem Festival bald eine DVD...



Hier noch einmal ein Dankeschön an die kollektiv freundliche und hilfreiche Festival-Crew, ausserdem an Paulina und Heli - danke fürs Mitnehmen!

Klaudia Weber


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