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Bela B. Listening Session

2006-04-02
Stadt / City Berlin 
Land / Country Germany 
Web www.bela-b.de
 
Veranstaltungsort:
Location
Bela´s Tourbus 
Datum / Date16 Mar 2006 

Bela B. – Wenn der Tourbus während einer Listening Session bei Curry 36 vorfährt…

Der Herr Felsenheimer, besser bekannt als sexy Punk, Porno Boy, der Graf oder einfach Bela B. ist Comic- und Horrorfan, Schauspieler, Amerika-Liebhaber und Bush-Hasser und zugleich einer der charismatischsten Rockstars, die dieses Land hervorgebracht hat. Als Schlagzeuger, Sänger und Songschreiber von Die Ärzte ist er seit gut 20 Jahren dabei, Rekord um Rekord und Erfolg um Erfolg zu toppen. Nach Farin hat auch Bela B. es sich nehmen lassen ein Soloalbum aufzunehmen, welches noch im Mai 2006 erscheinen soll. Zusammen mit seiner Band "Los Helmstedt" wird es dann auch auf Tour gehen. Vorab lud Bela B. zu einer Listening Session im Tourbus durch Berlin ein, damit wir bereits für Euch in neun Stücke des am 12. Mai erscheinenden Albums "Bingo" inklusive der ersten Single daraus ("Tag mit Schutzumschlag") hineinhören können.



Seit ein paar Jahren zeigt der Protagonist des Abends auch Können und ausgeprägtes Talent auf anderen Gebieten. Neben den Tätigkeiten als Schauspieler und Hörbuchsprecher publiziert mit seinem Verlag Extrem Erfolgreich Enterprises (EEE) reihenweise Perlen des Horrorcomic-Genres.
Bela B. wurde als Dirk Felsenheimer am 14. Dezember 1962 in Berlin-Spandau geboren und lebt heute in Hamburg. 1979 gründete er seine erste Band „Soilent Grün“. Bis zu ihrer Auflösung 1982 erspielten sich „Soilent Grün“, zu denen später auch Belas Die Ärzte-Kompagnon Farin Urlaub gehörte, in der Berliner Punk-Szene einen legendären Ruf und veröffentlichten eine EP. Kurze Zeit später begann der unaufhaltsame und bis heute andauernde Aufstieg von Die Ärzte, der Rest ist Legende.


Photo: Jim Rakete

Die kleine, handverlesene Schar Journalisten wurde dann am Bahnhof Zoo im gänzlich unauffälligen Nightliner (Stichwort: Größer kann man Werbung wirklich nicht auf einen Bus übertragen) eingesammelt, um bei einem ersten Bier den Clip zur Single bewundern zu können. Bela B. ist hier in einer Art Adaption des Johnny Depp-Hits „Charly und die Schokoladen-Farbik“ mit vampireskem Flair in den Schlusssekunden zu sehen, wo eindeutig sein Faible für B-Movies und Horrorfilme durchkam (nur nebenbei bemerkt: Seine ersten schauspielerischen Gehversuche unternahm der Herr Felsenheimer in den 1980er Jahren, als er in mehreren Filmen von Splatter-Kultregisseur Jörg Buttgereit (u.a. „Manne – the muvie“, „Captain Berlin“ und „Der
Todesking“) mitwirkte).


Photo: Jim Rakete

Mit dem Bus durchs nächtliche Berlin wurde es dann kuschelig, als die Schar sich in den hinteren Teil des Busses verzog, um neun Stücke vorab begutachten zu dürfen. Produziert wurde das Solo-Debüt „Bingo“ von Olsen Involtini, Wayne Jackson (der wie der Künstler anwesend war, um die ersten Reaktionen zu erleben) und Bela B. Und eines zu Beginn: Die Produktion ist fett, druckvoll und transparent, mit diesem Produzenten-Duo hat sich Bela B. definitiv einen Gefallen getan.




„Fuge“
Der Opener des Albums namens „Fuge“ beginnt mit einem Kinder- und Mönchschor, was dem Stück einen sehr sakralen Touch gibt. Und so schnell wie der Song beginnt, ist er auch wieder vorbei. Gelungener Auftakt.

„Gitarre runter“
„Gitarre runter“ ist ein typisches Die Ärzte-Stück aus der Felsenheimerschen Kreativschmiede. „Mach die Gitarre runter, wir wollen Deinen Sack nicht sehen“ als Hauptaussage zeigt eindeutig an, welchen Fokus die Nummer hat: Spaß verbreiten in knapp vier Minuten, das funktioniert mit der extrem melodiösen und eingängigen Up-Tempo-Nummer ausgezeichnet, vor allem durch den mehrstimmigen Refrain und den peitschenden Schuss am Ende.

"Tag mit Schutzumschlag"
Die Single ist ein kompromissloser Rocksong, der am ehesten die erwarteten B-Movie-Anleihen erfüllt. Zu Gothic-Keys und der charismatischen Stimme des Akteurs wird die aktuelle Lage der Gesellschaft mit verfremdeten Gesang analysiert („Kindersex im Internet, live im Kannibalenchat, die NPD wirbt um unser Vertrauen“). Eine sehr eingängige Nummer mit schnell und tief heraus gesprochenen Textzeilen, die man nach dem dritten Hören nicht mehr aus dem Kopf bekommt.

„1-2-3-4“
Dieser Song stellt eine sehr basslastige, gemäßte Nummer mit beswingten Rhythmen dar. Die an „Kill Bill“-erinnernde Melodieführung legt den Grundstein für einen amüsanten Text über misslungene Bagger-Attacken des Protagonisten. Als Höhepunkt singt Charlotte Roache ein Duett mit Bela im letzten Teil des Songs.

„Letzter Tag“
„Letzter Tag“ beginnt sehr Ennio Morricone-mäßig mit stimmungsorientierten Westerngitarren. Der tiefgehende Text über Tod und Abschied wird von pathetischen Streichern und einem verzerrten Soli untermalt.

„Traumfrau“
„Traumfrau“ ist uptempo, fröhlich und mit im Ohr kleben bleibender Melodie. Im Refrain wird erneut zu Streichern ohne Gitarren-Einsatz über die Traumfrau schlechthin sinniert, bevor es dann wieder mit Vollgas weitergeht und im munteren Bläsereinsatz endet.

„Irgendwas“
Auch bei „Irgendwas“ setzt Bela auf Streicher-Einsätze, weniger auf Gitarren. Bei Midtempo und atmosphärischem Astral-Soli findet die emotionale Nummer ihren würdigen Abschluss mit der Unterstützung von weiblichem Gesang.

„Sie“
Eine recht ruhige Nummer stellt „Sie“ dar, die nur von wenigen Powerchords getragen wird. Nach der Textzeile „Sie ist gegangen, denn sie hat etwas vermisst“ wird der Song dann langsam wuchtiger. Passende Atmosphäre zum Thema Schlussmachen.

„Cowboy“
Eine sehr an Buddy Holly-erinnernde mit Live-Atmosphäre versetze Hommage kommt mit Akkustik-Gitarren, viel Witz und viel 50ies Flair daher. Gute Nummer.

Insgesamt werden 15 Songs auf dem Album vertreten sein, wird erklärt, während das Schlachtschiff sich zielsicher durch Berlin manövriert und passend zum Anlass bei der wohl berühmtesten Currywurst-Bude von Berlin, „Curry 36“ anhält und Bela mit gut zwei Dutzend Berliner Spezialitäten mit Pommes wieder in den Bus kommt. „Die anderen Songs sind über verschiedene Dinge, einige Joke-Songs und Balladen sind noch mit drauf. Und einige vampireske Themen gibt es auch noch. “ berichtet Wayne Jackson. Einen besonderen Moment gab es im Studio mit der Moderatorin Charlotte Roache.
„Charlotte hatte nie vorher gesungen, daher war sie etwas nervös.“ so der Produzent weiter. Und zu den schauspielerischen Qualitäten seines Musikers im Clip äußerte er sich noch wie folgt: „Bela ist viel besser als Johnny!“

Abschließend kann man sagen, dass „Bingo“ ein sehr gutes Rock-Album geworden ist bzw. wird, das zwar keine allzu große Abkehr vom klassischen Ärzte-Stil darstellt und vielleicht weniger morbide bzw. Horrorthemen behandelt als erwartet. Dafür gibt es große Gefühle, viel Humor und interessante Instrumentierungen zu entdecken.

Ingo Gießmann, translation: Klaudia Weber


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8.5/10