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Firebox Festival 2011

2011-10-20
Stadt / City Seinäjoki 
Land / Country FIN 
Web www.fmf.fi
 
Veranstaltungsort:
Location
Rytmikorjaamo 
Datum / Date30.9./1.10.2011 

Festivals, die nach einem Plattenlabel benannt sind, dienen in der Regel hauptsächlich als Präsentationsplattformen für die hauseigenen Bands. Aber es gibt Ausnahmen. Die wenigen bei Firebox veröffentlichten Produktionen stammen von unbekannten Acts, dagegen wartet das in unregelmäßigen Abständen in Seinäjoki stattfindende Firebox Metal Fest mit deutlich größeren Namen auf.

Freitag 30.9.2011


Dies war mein erstes FMF, aber beileibe nicht mein erster Besuch im Rytmikorjaamo. Ich würde den Laden sogar zu meinen Lieblingsclubs zählen, denn alle hier gesehenen Gigs waren die dreistündige Zugfahrt von Helsinki wert. Diesmal sah das Interieur etwas anders aus als gewohnt, weil vor kurzem eine gründliche Renovierung stattgefunden hatte, aber die Aufhübschung war durchaus gelungen und die neue Aula (mit eigener Bar und Restaurant, das wir allerdings nicht ausprobieren) erwies sich als praktisch, um zwischendurch mal den Ohren eine Ruhepause zu gönnen oder zu telefonieren.


Das Layout des eigentlichen Saals hatte sich allzusehr geändert, aber speziell für dieses Festival war eine kleine zusätzliche Bühne aufgebaut worden, so dass die Bands nahezu ohne Pause nacheinander auftreten konnten. Die erste, Vuohivasara, war schion am Ende ihres Sets angelangt, als wir ankamen, aber unmittelbar danach folgten meine persönlichen Favoriten des Abends, Barren Earth. Deren zweites Album hätte ursprünglich gerade rechtzeitig zu diesem Festival veröffentlicht werden sollen, aber - wie Sänger Mikko zwischendurch in nicht ganz druckreifen Worten kommentierte - das ganze Projekt war kurzfristig auf nächstes Jahr verschoben worden. Sei´s drum, auf Gutes wartet man gerne, und 2011 hat ohnehin schon mehr geile Neuerscheinungen mit sich gebracht als irgendein anderes Jahr in meiner Erinnerung. Immerhin erhielten wir einen Vorgeschmack auf das kommende Material: "Vintage Warlords", ein typischer Barren Earth-Song mit krachendem Einstig und sehr schönem Clean-Mittelteil. Der Rest der Show bestand aus bekanntem Material, wenn auch teils mit frischen Arrangements und Improvisationen aufgelockert. Hinterher erfuhr ich, dass Gitarrist Samis spaciges Delay-Outro nach "Floodred" eine Spontanaktion war, um ein technisches Problem zu übertünchen - was mal wieder beweist, dass die besten Ergebnisse oft aus Notlösungen geboren werden.


Auch Altars Of Destruction wurden von manchen Festivalbesuchern mit größerer Spannung erwartet als die eigentlichen Headliner des Abends. Der erwähnte Aufschub des Barren Earth-Veröffentlichungstermins verblasst zur Bedeutungslosigkeit verglichen mit der Geschichte von AOD, die zu Teenagerzeiten eine von Finnlands ersten Thrashmetalbands waren, sich jedoch 1989 nach zwei Demos und einer EP auflösten. Erst nach der vor kurzem erfolgten Wiedervereinigung entstand das Debütalbum, bestehend überwiegend aus vor mehr als 20 Jahren geschriebenen Songs. Live gaben sie neben dem eigenen Material auch Testaments "Over The Wall" und klangen erstaunlich frisch; falls AOD die verlorene Zeit wettmachen wollen, sind sie zumindest auf dem richtigen Weg. Zu spät ist es bekanntlich nie.


Obwohl Shining - die Schweden, nicht ihre norwegischen Namensvettern - regelmäßig in Finnland zu Gast sind, hatte ich sie bisher noch nie live gesehen. Zuletzt hätte ich dieses Jahr auf dem Tuska die Chance gehabt, aber wie es bei Festivals zu gehen pflegt, fielen sie einer Überschneidung zum Opfer. Als das schlagermäßige Intro einsetzte, fragte ich mich daher ernsthaft, was mich nun eigentlich erwartete, aber die Band stellte sich als die unterhaltsamste des Abends heraus. Der eine Gitarrist war überraschenderweise ein alter Bekannter aus Helsinki, Alleskönner Euge Valovirta. Vermutlich war er ziemlich kurzfristig eingesprungen, denn seine Setliste war gespickt mit Notizen zu diversen Songs. Finnische Hilfe kam außerdem von Oppu von Barren Earth, dessen Bass sich Christian Larsson ausborgte, als bei seinem eigenen auf halber Strecke die Batterie versagte. Soviel zum Thema aktive Elektronik. Musikalisch erwies sich der Gig als ausgesprochen abwechslungsreich, neben der brutalen Seite von Shining lam auch das andere Ende des Spektrums zur Geltung. Regelrecht meditativ wurde es schließlich mit dem Outro, dem wunderschönen "I nattens timma" vom aktuellen Album (eine Coverversion eines alten Songs der schwedischen Progrocker Landberk).


Die nächste Band hörte sich ebenfalls recht unkonventionell an; DeLiriums Order kommen aus der nicht gerade unterbesetzten Melodeath/Thrash-Ecke, zeigen aber durchaus Mut zum Experiment. Anfangs recht interessant, wirkten sie auf mich jedoch nach einiger Zeit etwas ermüdend, so dass es mir nicht ganz unrecht war, dass ihr Set schon nach einer knappen halben Stunde endete.


Die Hauptakteure am Freitagabend waren Marduk, die eigentlich schon auf dem Firebox Fest im April 2010 hätten auftreten sollen, aber seinerzeit durch die berüchtigte isländische Vulkanaschewolke an ihrem Flug gehindert wurden. Diesmal schafften sie es ungehindert nach Seinäjoki, aber problemlos ging die Sache trotzdem nicht ab. Anfangs ließ sich der Gig gut an, aber nach zwei oder drei Songs bekundete Sänger Mortuus sein Missfallen am Monitorsound und musste feststellen, dass der Bühnensoundtechniker seinen Posten verlassen hatte. In einem Wutanfall schleuderte er sein Bier in Richtung des unbemannten Mischpults - die Dusche kriegten eine Freundin von mir und ihre Kamera ab. Kam weniger gut. Der Soundmensch kam zwar nach einer Weile wieder, aber Mortuus meckerte praktisch den ganzen Rest der Show über, die zu allem Überfluss wegen eines Feueralarms nach "Limbs of Worship" vorzeitig abgebrochen werden musste. Ziemliche Antiklimax nach einem eigentlich exzellenten Abend, aber zum Glück brannte es nicht tatsächlich.


Samstag 1. 10. 2011
Am Samstag war das Haus deutlich voller als am Abend zuvor, aber es hätten imer noch wesentlich mehr Leute hineingepasst. Das Line-up und überhaupt das ganze Festival hätte ein größeres Publikum verdient gehabt, aber aus irgendwelchen Gründen war das Ganze erst drei Wochen zuvor angekündigt worden, was vielen zu kurzfristig gewesen sein mag.


Als Medeia um 21:00 anfingen, waren die vorderen Reihen jedoch ansehnlich gefüllt und der Pit kam schnell in Gang. Ich hatte die Band zwei Wochen vorher im Suisto in Hämeenlinna gesehen, wo die Bühne so klein war, dass die sechs Bandmitglieder kaum ein Bein an die Erde kriegten, geschweige denn einen Millimeter Bewegungsfreiheit hatten. Sie stattdessen auf einer großen Bühne zu erleben, war ein Unterschied wie Tag und Nacht. Vor allem Sänger Keijo war in seinem Element, aber auch die Saitenfraktion nutzte den gegebenen Raum zu ihren Gunsten. Für kurze Atempausen inmitten des Riffgewitters sorgten Keyboaderin Lauras sanftes Klavieroutro nach "Unseen" und später "The Burning", ein langsamerer Song, der sich erst allmählich steigert. Zwischen den Songs bedankte sich Keijo artig bei Crew, Fans und den übrigen Bands, und auch das Publikum zeigte sich dankbar, wie ein auf die Bühne geworfener Blumenstrauß zeigte. Keine allzuhäufige Geste bei Metalgigs, selbst in Finnland nicht...


Die Reihenfolge der Hauptbühnenbands gab in gewissem Sinne deren stilistische Richtung wieder, denn Omnium Gatherum sind tatsächlich irgendwo zwischen Medeia und Amorphis angesiedelt, was sowohl Härtegrad als auch Melodik angeht. Medeia und OG hatten in diesem Herbst mehrere gemeinsame Shows, darunter den oben erwähnten Gig im Suisto, und um ihren Tourkollegen Unterstützung zu erweisen, kam während "New World Shadow" die gesamte Medeia-Gang auf die Bühne (die in diesem Moment nicht mehr ganz so groß wirkte). Danach folgten zwei weitere neue Songs, "Ego" und "Soul Journey", bevor die Jungs zu älterem Material übergingen. Die Stimmung war nicht ganz so überschäumend wie bei Medeia, aber mir persönlich gefielen OG eigentlich sogar noch besser. Vielleicht sind die neuen Sachen bloß etwas zu akademisch für den Moshpit...?


Zugegebenermaßen bekam ich am Samstag nicht allzuviel vom Geschehen auf der kleinen Bühne mit, denn wir entdeckten eine gemütliche Ecke im geräumigen Schankbereich und verbrachten letztendlich mehr Zeit dort als geplant. Immerhin sah ich einige Songs von Process: Pain, aber ehrlich gesagt klangen sie zu austauschbar, um bei mir nachhaltiges Interesse zu wecken. Beim ersten Song wechselte der Sänger das Mikrofon und etwa später wurde der gesamte Sänger ausgewechselt - die beiden Ereignisse standen jedoch in keinem Zusammenhang, sondern der neue Mann auf der Bühne war in Wirklichkeit ein Ex-Mitglied, das einen Song zusammen mit seinen alten Kumpels zum Besten gab.


Während beide Headliner des Vorabends aus Schweden importiert waren, spielten am Samstag die einheimischen Amorphis die Hauptrolle, für die das Festival praktischerweise am Weg ihrer aktuellen Tour lag. Einen Monat zuvor hatten sie in Helsinki das ausverkaufte Tavastia mit einem absoluten Hammerset beglückt; der Auftritt in Seinäjoki war um einige Songs kürzer und ausgerechnet meine Favoriten waren der Streichung zum Opfer gefallen, so dass ich ein wenig enttäuscht war. Nichtsdestotrotz war es ein solider Gig mit guten Kontrasten, nicht alle davon freilich so radikal wie die auf das romantische "You I Need" folgende kurze Pseudocoverversion von Rammsteins "Pussy", die seinerseits als Intro für das Urzeitrelikt "Vulgar Necrolatry" diente. Während der Zugabe wurde die Setliste außerdem noch durch ein Geburtstagsständchen seitens des Publikums ergänzt. Adressat war Gitarrist Esa, der unmittelbar zuvor das Outro von "My Kantele" mit exotischen Klängen aufgepeppt hatte - gespielt auf einer elektrischen Sitar.


Müdigkeit und Durst waren schuld daran, dass wir die auf Amorphis folgenden Oranssi Pazuzu komplett verpassten - schade eigentlich, denn auf dem Tuska hatte ich ein bißchen von ihnen mitgekriegt und hätte eigentlich ganz gerne mal einen kompletten Set gesehen. Aber die Chance dürfte wiederkommen, und das Wochenendprogramm war auch ohne sie den Trip wert gewesen. Kleiner Tipp für Seinäjoki-Touristen übrigens - beim Besuch der Kneipe am Bahnhof sind mitgeführte Stichwaffen im Holzblock am Eingang zu deponieren...


+ photos: Tina Solda


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8/10