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Annihilator: Einfach Metal!

Zweifellos ist Annihilator-Mastermind Jeff Waters nicht nur einer der weltbesten Gitarristen, sondern – wie ich aus eigener Erfahrung weiß – einer der nettesten Menschen, die man in diesem Business überhaupt kennenlernen kann. Klar, dass ich gerne die Gelegenheit nützte, den Kanadier auf dem Zwischenstop ihrer Support-Tour mit Trivium in Helsinki mal schnell ein wenig auszuquetschen... Ihr habt noch die Chance, die Band live zu sehen, checkt die STALKER Tourdates!

Das Ausquetschen klappte nicht so ganz, jedoch nicht, weil Jeff davonrannte – nunja, zwar machte er genau das, aber nicht wegen meinen Fragen... Denn leider erwiesen sich die finnischen Journalistenkollegen vor mir als Die-Hard-Annihilator Fans, mit dem gesamten Band-Backkatalog (12 CDs, dasselbe nochmal auf Vinyl sowie Dutzende EPs) zum Signieren im Schlepptau, dann wurden noch jede Menge Erinnerungsfotos geschossen... kurz, sie überzogen ihre Zeit dermaßen, dass mir bis zum Annihilator-Soundcheck nur ein paar klägliche Minütchen blieben und ein hochinteressantes STALKER-Interview yum Thema neue CD „Metal“, Kanada und Business-Witzfiguren zwangsläufig ein sehr jähes Ende fand...



Tja, diese Frage lässt sich nicht vermeiden... zwar weiß ich bereits, dass Annihilator im Prinzip ein Ein-Mann-Projekt ist, aber warum hat sich da nie eine reguläre Band gebildet, war es aus finanziellen Gründen?
Nein, als ich anfing, das war so um 1985, versuchte ich, in meiner Heimatstadt Ottawa eine Band zusammenzustellen. Und damals waren wir alle sehr jung, und jeder wollte lieber mit der Freundin abhängen, was trinken gehen, zu Parties, ein paar brachten die Freundin zur Probe mit oder wollten gar nicht proben und all das. Also, ich wollte ja auch ne Freundin haben und Parties und Spaß, aber ich wollte vorher in einer Band spielen, an meiner Musik arbeiten und ein guter Gitarrist werden, lernen Songs zu schreiben – und DANN die Sau rauslassen. Ich brachte es einfach nicht zustande, die Jungs zum Proben und zum Formen einer Band zu kriegen. Also dachte ich mir, na gut, dann lerne ich eben selbst Bass spielen, und Schlagzeug, und lerne, wie man Songs und Texte schreibt und wie man ein Vierspur-Aufnahmegerät bedient. Und so habe ich es seit 1985 weiter gemacht, das ist das zentrale Thema aller Annihilator-Platten. Ich gehe ins Studio, heuere einen Schlagzeuger an, meist ist auch ein Sänger mit dabei, manchmal singe ich bei den Aufnahmen. So sind es meist drei Leute, die eine CD aufnehmen, und bei einer Tour ist es etwas anders, eher eine Band, kein Solo-Projekt – also so halb-halb.

Aber wieso hast du nicht später versucht, eine Band zusammenzuhalten, damals in den 90ern etwa, als ihr so oft auf Tour wart?
Also immer dieselben Leute behalten? Naja, wir haben in letzter Zeit 23 Tourneen gehabt, waren viel unterwegs, aber nicht in England oder Skandinavien, daher glauben die Medien und Fans hier wohl – auch wenn sie von uns vor Jahren was gehört haben – dass wir weg vom Fenster sind oder nichts mehr tun. Aber wir machten viele Konzerte und CDs, die hier ist die 12. seit 1989.

Ja, aber bei fast jeder CD änderte sich das Line-Up...
Yeah, yeah.

Also fragte ich mich schon, ob Kanada vielleicht kein guter Boden für eine Band ist...
Nein, nein. Es ist nur so... ich wusste nicht, dass Veränderungen was Schlechtes sind (lacht). In meinem Fall ist das genau der Grund, warum wir 12 CDs haben, die Veränderungen, das Anpassen an die Zeit... ich meine jetzt nicht, dass sich unser Stil verändert hat, aber wir wechselten die Plattenfirma vier Mal, und das war gut. Die erste war Roadrunner, und 1993, als wir unsere 3. Platte hatten, veränderte sich der Metal, überall, starb fast überall aus oder war weltweit am untergehen. Das hätte das Ende von Annihilator sein können, und mir wurde gesagt, wenn ich die Band behalten wollte, sollte ich den Namen ändern, eher was in Richtung Pantera/Biohazard/Sepultura machen, und das wollte ich nicht. Ich mag 80er Metal, ich mag, was ich mache. Also ging ich zu einer anderen Firma, Music For The Nations, die an den traditionellen Heavy Metal glaubten, und da verkauften wir Unmengen an Platten und hatten in den 90ern viele Tourneen, als der Metal angeblich tot war. Es war toll, dann gingen wir zu SPV, und es war da fast besser... also, wir gehen mit der Zeit, was Firmen betrifft... und bei der Besetzung, da bin ich eigentlich glücklicher als die meisten Bands oder Musiker, denn ich habe mit 23, 24 oder 25 der weltbesten Leute im Business zusammengearbeitet, die weltbesten Drummer haben in dieser Band gespielt... Ja, ich mag Veränderungen, absolut. So bleibt es interessant.



Naja, ich war schon etwas verwirrt... vielleicht kannst du ja die Leute vorstellen, die heute spielen, so ein wenig in deinen eigenen Worten...
Also, mit Dave Padden bin ich schon seit 2003 musikalisch verbunden, wir haben drei Platten gemacht, also ist er in dieser Hinsicht ein Veteran. Und die beiden anderen, Drummer und Bassist, so machen wir es immer – am Ende der Aufnahmen überlegen wir uns, welche Leute wir für eine Tour brauchen und suchen uns nen Drummer und nen Bassisten. Der Bassist ist aus meiner Heimatstadt Ottawa und heißt Brian (Daemon, was aber nicht wirklich sein Name ist, er ist 17 Jahre alt und ein Nachbar von Jeff Waters und nennt sich selbst den glücklichsten aller Musiker, denn er kann mit seiner Lieblingsband auf Tour sein, Anm. d. Red.) und Alex Landenburg, unser Schlagzeuger, ist aus Süddeutschland (dem Saarland, und er spielt auch bei Memento und Lancelot, Anm. d. Red.)

Ich hatte den Eindruck, dass „Metal“ so eine Art Bilanz deiner Karriere ist... naja, das ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck...
Ich weiß was du meinst... musikalisch... es ist ein sehr einfacher und geradliniger Name, und einfach nur eine neue Annihilator-CD, die 12. Studio-CD. Nicht wirklich so etwas wie ein „Best-Of“...

Nein, das meinte ich nicht...
Aber es enthält die verschiedenen Metal-Stilelemente, die wir all die Jahre über gespielt haben, und der Titel und all die Gäste, das erzeugt schon den Eindruck von was... ich weiß nicht, Überlebensgroßem. Aber es ist echt nur eine weitere CD, und auch ohne diesen Titel und all die Gäste müssen die Songs gut sein.

Wie hast du das mit all diesen Gastmusikern (z.B. Alexi Laiho from Children Of Bodom, Jesper Strømblad from In Flames or Steve ´Lips` Kudlow from Anvil,) hingekriegt, haben sie dir ihre Aufnahmen geschickt, oder kamen sie zu dir ins Studio?
Wir hatten die CD bis auf einen Song und den Gesang im Kasten, so eine Woche vor Abschluß der Aufnahmen, da kriegte ich einen Anruf von Arch Enemy-Michael Amott, und Corey Beaulieu von Trivium, wir plauderten über die CD, und ich glaube Corey fragte dann, ob er ein Solo beisteuern könnte. Ich stimmte zu, und als ich dann mit Michael sprach, fragte ich ihn, ob er nicht auch Lust hätte, er stimmte zu, und da kam mir die Idee: ´Wir haben noch zwei Wochen Zeit, vielleicht sollte ich Alexi Laiho und noch ein paar Leute, die Annihilator mögen, einladen.´ Und in kürzester Zeit hatte ich so viele Leute, die mitmachen wollten... es war alles in letzter Minute, die Hälfte der Leute kam zu mir ins Studio, andere waren auf Tour oder im Studio, um ihre eigenen Sachen aufzunehmen, wie Corey von Trivium mit dem „Crusade“ Album. Für ihn war es einfach, ich schickte ihm den Track, er spielte sein Solo drauf und schickte es wieder retour. Und ein paar hingen bei mir zu Hause ab.

Schien ja echt eine Menge Spaß gemacht zu haben... bei einigen deiner Texte vermute ich ja, dass sie sehr persönlich sind, wie „Smothered“ oder „Haunted“...
Es gibt ungefähr vier Songs ... naja, 2005 und Anfang 2006 war ich mitten in einem 1,5 Jahre Krieg mit schlechten Business-Partnern. Das hat mich wirklich zu einigen Texten inspiriert. Es war gut, ich konnte die schlechten Deals loswerden, und mit „Metal“ beginnt eine neue Ära mit Deals, neuem Management, neuer Firma – SPV, Sony Publishing, neuem Merchandise Deal, neuer Tour-Agentur, die uns eine Menge Konzerte verschafft, also... 2005 fürchtete ich schon, dass ich die Band aufgeben muss, denn es sah echt übel aus, auf rechtlicher Seite, und der Kampf dauerte länger als ein Jahr, aber ich kriegte meine Rechte, mein Eigentum zurück, ich schaffte es. Ein schlimmer Kampf, der mich zu Songs inspirierte. Ein bisschen Frust. (lacht)



Ist „Detonation“ nun gezielt ein Black Sabbath Zitat...
Ich hab im Lauf der Jahre zwei Songs als Tribut für meine Lieblingsband AC/DC geschrieben, und dann schrieb ich mal dieses Riff, hörte es mir wieder an und... `pfff, das klingt wie „Children Of The Grave“ von Black Sabbath´, fast identisch, nicht genau, aber sehr nahe, und ich dachte, ach was, ich bastle das in eine Strophe, und das wird mein kleiner Sabbath-Tribut, nichts weiter.

Wie lief die Tour soweit? Ihr kamt ja grade aus Stockholm?
Ja, vor zwei Tagen spielten wir in Stockholm, und wir hatten eine entspannende Überfahrt auf der Fähre, wir haben die ganze Zeit nur geschlafen, ein Tag frei.... wir waren drei Wochen in England mit Trivium unterwegs, und Gojira und Sanctity, und das war unglaublich. Wir spielten meist vor Leuten, die Annihilator nicht kannten, denn das waren 15-20 Jahre alte Trivium-Fans, und da musst du dich schon anstrengen, ihre Aufmerksamkeit zu kriegen. Aber es war toll, die Firma rief uns nach einigen Wochen an und meinte, dass unsere Verkäufe nach oben geschnellt sind. Dass Corey uns auf Tour mitnahm, hat auch Annihilator viel gebracht, wir schulden ihnen was. Und England und Skandinavien waren schon ein Grund, dass wir die Tour machen wollten, denn da haben wir bisher noch nicht gespielt...

Was war das beste Konzert in deiner Karriere, was das schlechteste, und warum?
Hmm... das beste Konzert war in Moskau, im Jahre 2000. War geil. Warum? Denn es war die HÖLLE, dort hinzufahren, und vor Ort auch übelst, aber sobald das Intro losging und die Menge tobte... wir dachten schon, mit der Soundanlange stimmt was nicht, dann merkten wir, dass es die Leute waren, die so tobten... und es war WOW, eine der bemerkenswertesten Shows. Und noch eine war toll, in einem kleinen Club in London, dem Marquee, vor vielen Jahren. Und vor 80.000 Leuten beim Dynamo Festival, das war auch... nicht so schlecht... war geil. Das schlimmste Konzert.... das ist immer dann, wenn mein Equipment nicht funktioniert. Ich hab immer Stress, bin total nervös so eine halbe Stunde vor dem Auftritt, sogar jetzt noch nach 17, 18 Jahren, aber... es liegt nie an den Fans, es kann keinen anderen Grund als das Equipment geben – wenn das nicht in Ordnung ist, kannst du einfach nicht spielen. Das ist der einzige Grund. Sobald ich auf der Bühne stehe und alles funktioniert, machen auch die Nerven wieder mit (lacht).

Oh, ich hätte da einen Vorschlag für ne beschissene Show für euch... vor Jahren, in Wacken, wo ihr im Stau steckengeblieben wart oder so...
JAAAA! Und deswegen mussten wir auf der kleinen Bühne auftreten, wir kamen zu spät, und die Leute wussten gar nicht, dass wir spielen...

Yeah, da waren nur ne Handvoll Leute...
Aber die Show war gut.

Ich weiß jetzt nicht mehr, wer Headliner war...
Blind Guardian spielten zur selben Zeit auf der großen Bühne, und Leute von dort drehten sich zu uns um, fragten, wer da auf der kleinen Bühne spielt... Annihilator! Und dann kamen sie angerannt (lacht)

Keine Ahnung, wie ich da von eurem Auftritt erfahren habe, aber da gab es definitiv zu wenige Durchsagen ... ich dachte nur, dass muss für euch echt Scheiße sein...
Aber immerhin konnten wir auftreten.



Naja, ich war überrascht, dass jetzt ein paar alte Hüte wieder auftauchten, wie die Gerüchte um Megadeth (vor einigen Jahren sollte Jeff Waters angeblich bei Megadeth einsteigen, Anm. d. Red.) Warum ist sowas plötzlich wieder im Umlauf?
Ach, keine Ahnung. Nur Gerüchte, da ist nicht wirklich was dran. Dave Mustaine und ich sind Freunde, und in all den Jahren hat er öfters Kontakt aufgenommen – nicht, dass ich einsteige, aber mal vorspiele, und jedesmal kam was Gutes dazwischen, entweder für ihn oder für mich, er fand Marty Friedman, den richtigen Mann, und ich entschied mich für Annihilator. Ja, wir sind nur Freunde, und all die Gerüchte sind ganz gut, so bleibt mein Name in der Presse... wir sind Freunde und hoffen, dass wir mal gemeinsam was machen können, dass wir mit Megadeth touren oder mal gemeinsam jammen können... das wäre lustig.

Wäre sicher interessant, denn für mich seid ihr alle beide... naja, ich will jetzt nicht das Wort „stur“ verwenden... aber bei der Musik habt ihr euren eigenen Kopf...
Yeah, wir haben unsere eigenen Bands und Ideen, yeah.

... da frag ich mich schon, ob ihr überhaupt zusammenarbeiten könnt?
Oh ja, das wäre lustig. Ich kann gut mit Leuten umgehen, also wäre es einfach für mich. Ich weiß, wie er ist und was er bei Musikern erwartet. Und ich bin Kanadier, die sind lockerer drauf, wir müssen nicht Nummer eins sein oder „USA“ abfeiern. Die USA und Kanada unterscheiden sich total, wir sind entspannter...

Also wie hat sich 9/11 auf dein Land ausgewirkt? Die Staaten scheinen mir derzeit kein besonders empfehlenswertes Reiseziel zu sein...
Naja, wir haben Grenzkontrollen und Gesetze verschärft, und Regelungen bei Flughäfen und so. Aber... wenn was passieren soll, egal ob Kanada, New York, Los Angeles oder London, dann wird es passieren. Aber das bedeutet nicht... wir Kanadier denken generell, wenn auch was in unserer eigenen Heimat passieren sollte, kannst du dir nicht dein Leben lang deswegen Sorgen machen, du solltest einfach weiterleben. Und diese wirklich kleine Gruppe Terroristen, die wollen ja genau das Leben stören, die Leute einschüchtern und in Angst und Panik versetzen. Mir macht das kein Kopfzerbrechen, echt.

Ich denke, Angst ist ein gutes Mittel, um Leute leichter mit Gesetzesänderungen unter Kontrolle zu bringen...
Sogar schlimmer als das. Die Politiker wollen ja, dass was passiert, das Leute Angst haben...

Geht es nicht genau darum bei „Clown Parade“?
Nein, das hat mehr mit den Witzfiguren im Business zu tun, Labelleuten und Managern und so, mit denen ich meine Probleme hatte.

Aber es passt!
Ja, es passt! Manchmal schreibe ich einen Text, und die Leute interpretieren es anders, und das ist ja gut... und Politik... Politik der Angst. Angst ist ein guter Weg das zu kriegen, was du als Politiker haben willst. Mach Leuten Angst vor Schwarzen, oder Verbrechen oder so, und nutze das dann aus. Es ist lächerlich. In Kanada ist vieles anders, wir haben Verbrechen, Drogen, Rassismus, dasselbe wie in den Staaten, aber dennoch ist es völlig anders. WIR haben mehr Waffen in Kanada, pro Kopf, und doch... in vielen Orten bleiben Türen unverschlossen, die Fenster sind den ganzen Tag offen... du kannst doch nicht ständig in Angst leben.

Ist das einer der Gründe, warum du nie in die Staaten ziehen wolltest?
Nein, in den USA gibt es tolle Gegenden zum Leben, aber z. B. Florida, da ist alles eher für die Oberschicht... ich meine, wenn du Geld hast, dann ist es da toll. Es gibt einen größeren Abstand zwischen Reich und Arm, es gibt weniger an Mittelschicht-

(im Hintergrund dröhnt die PA los, mit einem Instrumentalthema)

Oh, das ist mein Stichwort, ich muss weg...

Huch, sorry...
Nein, ist ja nicht deine Schuld... aber ich muss wirklich weg...

Gut, danke für das Interview!
Autor: Klaudia Weber, photos: Annihilator
Eingetragen am: 2007-05-10

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