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Samael: Erzengel, die nicht fliegen können

„Samael“ benennt einen Erzengel im Talmud und in darauf beruhenden Legenden. Eine Figur, die ein Ankläger ist und zugleich Verführer und Zerstörer, zugleich gut und böse. Genauer betrachtet, zeigen die Schweizer Samael – die eben ihr neues Album Solar Soul herausgebracht haben – genau diese Charakteristiken. Nicht als Personen, aber in Bezug auf ihre Musik.

Mitte der 90er konzentrierten sie sich auf Elektronik, mit Einflüssen aus Black Metal und anderen Metal-Genres, die sie in eine andere Dimension beförderte - eine Kombination von Black Metal der zweiten Generation und Industrial. STALKER sprach mit Vorph, Bruder von XY, denn es war an der Zeit, Geheimnisse einer Band zu enthüllen, deren Decknamen noch heute ungeklärt sind, obwohl ihre Karriere schon 1987 begann. Unter all ihren Werken stechen „Passage“ (1996), „Eternal“ (1999) und „Reign Of Light“ (2004) besonders hervor, Meisterwerke für viele. Doch nun beginnt ein neuer Tag mit „Solar Soul“...




Ihr habt das Label gewechselt und seid nun Teil der Metal-Familie von Nuclear Blast. Habt ihr euch entschlossen, Century Media zu verlassen, um ans Tageslicht zu treten, denn wie wir wissen, trägt NB eine Menge zur Promotion seiner Bands bei?
Es gab Veränderungen beim Label, wir hatten Differenzen und Konfrontationen, also kam der Punkt, wo keine Kommunikation mehr möglich war. Als unser Vertrag auslief, wollten wir ihn nicht mehr erneuern, sondern entschlossen uns, das Angebot von Nuclear Blast anzunehmen.

Aber Era One wurde voriges Jahr von Century Media veröffentlicht. Wurde das Album vorher fertiggestellt und später veröffentlicht?
Da gab es einige Verwirrung. Wir lieferten das Album schon 2002 ab, und sie wollten es nicht herausbringen mit der Begründung, es entspräche nicht ihren Erwartungen. Also machten wir weiter, machten ein neues Album Reign of Blood, das gute Kritiken bekam. So riefen sie uns an und meinten, sie wollten The Era One nochmal veröffentlichen. Da waren seit den Aufnahmen zwei Jahre vergangen, also frischten wir es auf, machten Re-Mix usw. Aber das war vor Reign Of Light.

“Solar Soul“ klingt esoterisch. Vom Titel her denken die Leute vielleicht, dass sie in eine Parallelwelt versetzt werden.
(Lacht) So kannst du es auch interpretieren. Jeder Song hat seine eigene Persönlichkeit. Ich sehe sie als Paare, die miteinander reden. Promise Land kann mit Quasar Waves verbunden werden, beide sprechen über das Universum, die Erforschung des Selbst, Verbesserung.

Was inspiriert dich dazu, Songs zu schreiben, die von so unterschiedlichen Welten beeinflusst sind: Die Walküren des Nordens, der Song Olympus erinnert uns an die alten Griechen, die trinken und Spaß haben, während Promised Land uns an den Himmel denken lässt...
Da hast du recht. Das ist das erste Mal, dass ich Sachen geschrieben habe, die im Bereich der realen Welt liegen. In der Vergangenheit schrieb ich eher über abstrakte Dinge. Der erste Song Valkyries dreht sich um Krieg. Wir können nicht so tun, als ob Krieg nicht statt findet. Es ist kein Song über einen bestimmten Krieg, sondern Krieg im Allgemeinen, obwohl ich dazu durch all die Nachrichten vom Irakkrieg inspiriert wurde.



Die Aufgabe der Walküren der Nordischen Sagas war es, den heldenhaftesten Krieger von all jenen, die im Kampf gefallen waren, auszuwählen und ihn nach Valhalla zu bringen. Und Valhalla ist jener Ort, wo alle Krieger hinkommen.
Naja, das ist definitiv ein Anti-Kriegssong. Ich versuchte zu zeigen, welche Konsequenzen der Krieg am Ende haben wird. Aber wir wissen alle, dass sich die Meinung der Leute hinsichtlich Krieg ändert. Ich wollte nicht zu predigen beginnen, aber ich wollte, dass die Leute aufhören, den Krieg zu verherrlichen.

Seid ihr mit dem Album zufrieden?
Ja. Ich glaube, dass es uns gelang, die Essenz von Samael herauszuarbeiten. Wir sollten schon seit 2005 an diesem Album arbeiten, aber durch die vielen Tourneen ließen wir das Songschreiben mal liegen. Als band haben wir zwei Jahre miteinander verbracht, also wage ich zu behaupten, dass dieses Album eine Leistung der Gruppe darstellt. Das war das wichtigste Album für uns und jenes, auf das ich am meisten stolz bin.

Seit „Eternal“ waren nicht so viele mit eurer Arbeit zufrieden. Wie fühlst du dich so, wenn du Kritiken liest, dass das neue Album nicht so ganz die Erwartungen erfüllte? Ärgert dich das?
Nein, natürlich nicht. Jedenfalls nicht bei diesem Album, denn ich weiß, dass es ein echt gutes ist. (lacht) Und nichts kann meine Meinung daran ändern. Ich habe genügend Argumente, das zu beweisen: Es ist viel abwechslungsreicher als Alben vorher, von den Gitarren her perfekt, es gibt außergewöhnliche Melodien, es geht ins Ohr, hat abwechslungsreiche Rhythmen... Alles steckt da drin. Es ist doch gut, oder?

Ja, es ist gut.
Toll.

In meinen Augen passt es nicht wirklich in die Kategorie Industrial Metal, obwohl viele euch da gerne einordnen.
Ich kümmere mich nicht um Kategorien, obwohl ich dir hier zustimme. Ich glaube, wir sind noch immer eine Heavy Metal Band, obwohl das kategorisieren anfing, als wir etwas andere Musik machten, es interessanter zu machen versuchten, daher also Industrial Elemente verwendeten. Ich hätte gerne, dass die Leute sagen, „das ist Samael“, darum versuchen wir ja, Musik zu machen, die Wiedererkennungswert hat.

Glaubst du, dass ihr mehr Erfolg hättet, wenn die Medien euch nicht so strikt in ein musikalisches Genre einordnen würden?
Hmm, ich glaube nicht. Ich glaube, es dauert ohne Kategorisierung länger zum Erfolg. Wenn wir so eine Musik machen würden, wenn wir dieses Potential hätten, dass Leute uns als einzigartige Band erkennen würden, dann wäre das toll, aber das ist unmöglich. Jede Band und ihre Musik reflektiert etwas von „außen“, von anderen Bands, und du kannst kein totaler Außenseiter sein.



Viele Bands, die aus Ländern stammen, wo die Heavy Metal Szene nicht besonders groß ist, beklagen sich, dass es schwierig ist, Erfolg zu haben, oder sogar unmöglich. Die Schweiz hat nicht viele Heavy Metal Bands, aber dennoch habt ihr es geschafft, von der Musik zu leben.
Ja, aber wir waren bei einem deutschen Label, und das war der Unterschied. Unser größter Markt ist Deutschland, hoffentlich auch dann Europa ebenso wie die USA. Wenn nur die Schweiz unser Zielmarkt wäre, gäbe es keine Chance für größeren Erfolg. Wir wären vielleicht auf nationaler Ebene erfolgreich, aber das wäre es dann auch.

Jedem neuen Album folgt eine Tour, und ich schätze, dass es schwerer und schwerer wird, dass die vorbereitete Setlist die Mehrheit zufrieden stellt, die einen wollen alte Songs hören, die anderen neue. Wie fällt ihr eure Entscheidungen, welcher Song ist „in“ und welcher „out“?
Es ist immer aufregend, neue Songs zu spielen, nachdem ein neues Album herauskam, aber wie du schon sagtest, müssen wir auch einige alte spielen. Es wird nach so vielen Jahren nur etwas langweilig, das alte Zeug zu spielen, also verändern wir bei denen für gewöhnlich die Arrangements.

Gibt es einen Song, den du nicht mehr spielen willst?
Hmmm. Einige Songs von „Passage“, denn wir spielen sonst immer dieselben, aber es gibt einige wie etwa „Moonskin“, die wir schon lange nicht mehr gespielt haben. Ich mochten diesen Song, denn er war meine Verbindung zur Vergangenheit, obwohl ich sie hinter mir gelassen habe.

Wenn du zurückblickst und die alten Alben anhörst, willst du da manchmal einige noch einmal neu aufnehmen, weil du glaubst, jetzt könntest du es besser machen?
Nein, nie. Naja, an einem gewissen Punkt dachten wir, „Passage“ könnte neu aufgenommen und arrangiert werden, denn wir dachten, das Keyboard sollte lauter sein. Es klang toll bei den Liveauftritten, aber du konntest das Keyboard auf der CD kaum hören. Aber wenn wir das geändert hätten, wäre das Album nicht mehr dasselbe gewesen. Wenn du ein Album aufnimmst, versuchst du immer, dein Bestes zu geben.



Ihr seid ja schon seit 20 Jahren in der Szene.
Ja, fast, aber erinnere mich nicht daran. (lacht)

Aber das ist gut. Üblicherweise bringen nach so vielen Jahren die Bands ein besonderes Album raus, zum Jubiläum feiern. Habt ihr derartige Pläne?
Naja, in diesem Fall glaube ich haben wir es endlich geschafft, unser bestes Album herausbringen (lacht). Und was das Jubiläum betrifft, da sprachen wir mal darüber, aber ich bin nicht der Typ, der sein eigenes Jubiläum feiert. Ich sage nun nicht, dass wir gar nichts machen werden, aber wir machen das sicherlich nicht in diesem Jahr.



Autor: Simona Drevensek, transl. K. Weber, photos: Nuclear Blast
Eingetragen am: 2007-07-07

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