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Nightwish: Bye Bye Opera

Falls du die letzten Monate nicht auf einer einsamen Insel verbracht hast, musst du von den Neuigkeiten im Lager der finnischen Melodic Metaller NIGHTWISH gehört haben. Kurz vor Veröffentlichung von „Dark Passion Play“ traf STALKER Band-Mastermind Tuomas Holopainen in Helsinki, um mit ihm über die neue Sängerin Anette Olzon aus Schweden und die neue CD zu plaudern, und warum für Tuomas eine neue Ära bereits mit den beiden letzten Alben begonnen hat... Ausserdem: Nightwish könnt ihr demnächst live erleben, checkt die STALKER Tourdaten!



Ziemlich schwierig, sich Fragen auszudenken, die du noch nicht gehört hast, aber wie wärs damit: Wenn die Band im Herr der Ringe wäre, wer würde welchen Charakter spielen?
Hmmm... Marco wäre Gandalf, sicher, Anette wäre Arwen, klar... Emppu wäre entweder Pippin oder Merry, er ist der Komiker in der Band (lacht), Jukka könnte Boromir oder Faramir sein, denke ich.... und ich muss mich zwischen Frodo oder Gollum entscheiden (lacht) – ich nehme Frodo!

Das neue Album „Dark Passion Play“ - welcher Song ist für dich hier der wichtigste?
Naja, mit Sicherheit der erste, „The Poet And The Pendulum“, da er definiert, worum es bei diesem Album geht. Es ist sowas wie DER Song am Album, auch wegen dem Pendel am Cover und so.

Was hat dich zu diesem Song inspiriert?
Es ist sowas wie der Soundtrack zu meinem Leben, ab dem Jahr 2005, was da ablief. Es hat was Therapeutisches, sich selbst in einem Song zu töten, wie ich es hier mache: Die Klinge schneidet mich am Ende des Songs entzwei. Ich liebe das Leben, ich glaube, dass die Welt ein schöner Ort ist, und ich würde niemals ernsthaft darüber nachdenken, aber manchmal fühlst du dich so unglaublich schlecht und verletzt, dass es dir echt weiterhilft, wenn du so einen Song schreiben kannst.

Also ist da auch was von Edgar Allan Poe mit dabei?
So entstand ja auch diese Idee. Ich mag Poe, und das ist wohl eines meiner Lieblingsnovellen. Irgendwas klickte bei „the pit and the pendulum“ (Die Grube und das Pendel), OK, „the poet and the pendulum“! Es spielt viel Symbolik mit, und ich stehe wirklich auf dieses Wortspiel, es funktioniert gut. Ich fühlte mich wie der Typ, der unter Klinge liegt, die immer tiefer und tiefer runter kommt...

Wird es nicht schwierig, diesen Song live zu spielen?
Naja, das Orchester und die Chöre kommen dann vom Band, und wir haben diesen Song intensiv geprobt, gestern Abend, und wir werden ihn live spielen, es zumindest mal probieren. Es macht viel Spaß, den Song zu spielen, 14 Minuten. Ich hoffe, das Publikum hat so viel Geduld...

Das Orchester, war es dasselbe wie bei „Once“?
So ziemlich dasselbe, nur etwas größer. Letztes Mal waren es 50 Personen, diesmal hatten wir 66, dann den Chor mit 33 Leuten, der Gospelchor mit 12, dann der Musiker mit den keltischen Instrumenten und die Knabenstimme, da kommen wir auf 120 Gastmusiker bei diesem Album (lacht). Am Booklet sind es glaub ich vier Seiten, die für sie reserviert sind (lacht).



Es lässt sich ja kaum vermeiden, einige Songtitel mit dem Geschehen in der Vergangenheit in Verbindung zu bringen, als Kommentar, wie etwa „Bye Bye Beautiful“...
Yeah, das ist kein Geheimnis, es ist ein Abschiedslied für Tarja, und alles in positivem Sinne; obwohl der Song ziemlich aggressiv klingt, gibt es keinerlei Hassgefühle oder sowas. Es ist eher wie „Warum musste es so weit kommen“, und auf diese Art, wo alle ihr Fett abkriegten, und „Es ist traurig, was passiert ist, also leb wohl, meine Schöne“. Es hätte ja auch „tschüs, Schreckschraube“ sein können, das wäre schon verletzend gewesen (lacht), aber darum bin ich ja ein Komponist, und darum spielen wir alle in einer Band, also können wir die Gefühle ausdrücken, die uns bewegen. Daher beeinflussen dich natürlich alle Dinge, die mit dir geschehen, und du willst die Dämonen loswerden und Songs darüber schreiben. Also, ich meine, es kann kaum jemand ernsthaft annehmen, dass diese Dinge NICHTS mit diesem Album zu tun haben. Bye Bye Beautiful ist ein konkretes Beispiel dafür. Ich hoffe, es regt niemanden auf, denn so war es nicht gemeint.

Naja, ein weiterer Song am Album, die Single „Amaranth“, da fragte ich mich, ob da finnische Folklore eingebaut ist...
Yeah, die Melodie und der Refrain sind wie Folklore, und ich hab wirklich beim Komponieren gelacht, „das wird was“... Aber was mich ein wenig stört an der Single, sie repräsentiert nicht wirklich das Album als Ganzes. Ich meine, es ist ein sehr positives Lied, ein wenig wie Pop, und das Album ist für mich das düsterste und härteste, das wir bisher gemacht haben. Also keine repräsentative Wahl, aber gut als Single, weil der Song so kurz und so verdammt eingänglich ist (lacht)

Ja, stimmt, wenn du ihn einmal gehört hast, kriegst du ihn so schnell nicht mehr aus dem Kopf... Der Video nimmt auf das berühmte finnische Gemälde „Der Verletzte Engel“ (von Hugo Simberg, Anm. d. Red.) Bezug, war das deine Idee?
Das war die Idee des Regisseurs (Antti Jokinen, Anm. d. Red.), er hat den gesamten Video konzipiert, wir hatten nichts mitzureden, und wollten das auch gar nicht, denn uns gefiel die Idee gut, was dem Engel vor und nach dem Bild passiert – und es ist auch eine Hommage an Finnland.

Wenn du das Album als solches betrachtest, wie viel ist da an „Finnischem“ enthalten?
Ich glaube, das ist eine Frage des Unbewussten, du denkst ja nicht bewusst an finnische Einflüsse, oder „lass uns Finnland einbringen“, es kommt einfach zustande, die Melancholie Skandinaviens in der Musik, du planst das keinesfalls irgendwie vorher.



Also wie ist es, mit Anette zu arbeiten, mit den Proben, ist es schwieriger, da sie nicht in Finnland lebt?
Das spielt keine Rolle, es ist nur ein eineinhalb Stunden Flug von ihr aus. Und auch damals Anfang 2000 lebte Tarja für drei Jahre in Deutschland, und wir konnten trotzdem weitermachen, also kein Problem, es ist nur mehr zu organisieren. Aber die Welt ist klein, und es geht nur ums Organisieren. Wir fangen eigentlich HEUTE mit ihr zu proben an, wir haben mit den Jungs eine Woche lang geprobt, damit sie sich nicht genieren muss, wenn sie in den Proberaum kommt (lacht). Warten wir mal ab, wie es läuft, wir haben noch nie mit ihr gespielt, also sind wir gespannt – warten wir mal ab, wie die Zusammenarbeit ist.

Was erwartest oder erhoffst du dir von der Zukunft, bei Konzerten zum Beispiel, vom Publikum?
Ich hoffe, dass wir viel Spaß haben werden, und ich hoffe, dass das Publikum höflich ist. Der Vergleich ist unvermeidlich, aber ich hoffe, dass die Leute genug Höflichkeit besitzen, Anette willkommen zu heißen, denn... im Grunde hat sie ja nie was falsch gemacht. Es war ein offenes Vorsprechen, sie hat sich für den Job beworben und ihn bekommen. Alles, was sie getan hat, war ihr Bestes zu geben. Also, wenn schon Tomaten auf die Bühne schmeißen, dann zielt auf UNS, nicht auf SIE, denn wir haben sie ja ausgesucht!

Wie waren die Reaktionen der Fans bisher?
Gespalten, was auch zu erwarten war, ich meine, es gibt eine Menge Leute, die sie echt mögen, „sie ist die perfekte Walh, sie versucht nicht Tarja zu kopieren, aber sie hat noch immer die Emotion und die Kraft in der Stimme, das ist ein guter Weg“, und dann gibt es jene, die glauben, dass Tarja das einzig Wahre für Nightwish war und die nichts mehr mit uns zu tun haben wollen. Nungut, sollen sie doch, ich hab damit kein Problem. So muss es nun einmal sein, und besonders dann, wenn wir die alten Songs spielen, wird es mit der neuen Stimme für viele ein echter Schock sein.



Aber ich habe mal im Gästebuch der Band-Homepage nachgesehen, die Mehrheit der Einträge waren ziemlich positiv...
Yeah, ich bin auch überrascht, ich hab viel Schlimmeres erwartet, also geben sie ihr zumindest eine Chance, UNS eine Chance. Und es gibt überraschend viele Leute, die unsere Musik zwar immer gemocht haben, aber niemals Tarjas Stimme, weil sie so hoch, laut und opernhaft war. Und die meinen „endlich kann ich mir das anhören, denn der Gesang klingt erträglicher“. Also gibt es auch diese Leute. Also für die Fans, die wir verlieren werden, gewinnen wir vielleicht ein paar neue dazu.

Musstest du alte Songs umarrangieren, damit sie besser zur neuen Stimme passen?
Wir mussten nichts neu arrangieren. Sie wird die Gesangslinien ein wenig verändern, um sie ihrer Stimme anzupassen, und sie wird sie in ihrer eigenen Rockstimme singen, also ist die Oper gänzlich weg, fürchte ich. Aber das ist der einzig mögliche Weg. Der einzige Song, den wir sicher niemals wieder spielen werden, ist „Phantom Of The Opera“, denn er war so auf Tarja und den klassischen Gesang zugeschnitten. Alle anderen Songs können wir eigentlich machen... (lange Pause)... glaube ich. Morgen bin ich klüger nach den Proben heute Abend (lacht).

Naja, ich hab den Eindruck, dass Oper noch immer in eurer Musik steckt, dieser dramatische Stil, und besonders „Poet and the Pendulum“, der Track ist sowas wie eine Mini-Oper, oder ein Kurzfilm...
Yeah, in der Musik ist es noch immer vorhanden, und „Poet“ hat was von einem Soundtrack, das stimmt... Die Musik hat sich nicht sehr verändert, glaube ich. Ich höre Kommentare, dass dies ein totaler Neubeginn sei, dass dieses Album sowas völlig anderes sei, und ich kann da nicht zustimmen. Die Seele der Musik, das Orchester und Chöre, harte Gitarren, Balladen – dieselben Elemente sind noch immer da, es ist nur die Stimme, die sich verändert hat. Und obwohl es nun eine völlig andere Stimme ist, glaube ich auch, dass wir die Oper sogar schon vor zwei Alben hinter uns gelassen haben! Sogar Tarja hat nicht mehr in diesem Stil bei „Century Child“ oder „Once“ gesungen, also ist die Veränderung nicht so radikal und dramatisch – glaube ich, eigentlich.



Apropos Soundtrack, Filmmusik – ihr habt ja unlängst einen Song für den finnischen Film „Lieksa“ geschrieben, „While Your Lips Are Still Red“, und ich war so überrascht, Marco so singen zu hören...
Ich auch... (lacht)

... so verdammt GEIL, emotional, daher war ich etwas enttäuscht, nichts Vergleichbares am Album zu finden...
Mmm... „The Islander“ ist ein wenig so... „While Your Lips Are Still Red“ wurde wirklich gut, ich bin wirklich stolz darauf. Es war nur so ein Projekt, wo wir nicht so viel reingesteckt haben, nur ein Song über den Helden im Film, „ich mach nur einen Song, Marco singt ihn, das ist alles“. Und wenn ich ihn mir jetzt anhöre, bin ich wirklich glücklich über das Lied. Da spielen viele Emotionen mit.

Yeah – ich hoffe nur, dass ihr sowas in Zukunft öfter macht, oder den Song mit Nightwish live spielt...
Yeah, das ist immer eine Möglichkeit. Dieser Song ist auch als Bonus auf der „Amaranth“-Single, obwohl er nicht wirklich ein Nightwish-Song ist, aber ich glaube, wir können ihn ruhig mit dazu tun.

Also, wie steht es mit den Nebenprojekten der Nightwish-Mitglieder, ist alles nun auf Eis gelegt?
Naja, Tarot hat gerade die letzte Show an diesem Wochenende gespielt und tritt für eine Weile nicht mehr live auf, Emppu spielt gerade eine neue Brother Firetribe-Scheibe ein, während wir sprechen, er ist gerade jetzt im Studio. Die CD wird noch vor Weihnachten rauskommen. Aber in der Tat werden wir mit Nightwish alle Hände voll zu tun haben und nicht wirklich Zeit für irgendetwas anderes. Die Tour geht ja schon im Oktober los.

Eine Menge Stress...
Aber guter Stress, mit vielen Erwartungen, Spannung...

Übrigens, hast du was von Tarjas Soloalbum „My Winter Storm“ gehört, das auch noch dieses Jahr erscheinen soll? Gerüchteweise soll es ja wie Nightwish klingen...
Nein, nur Gerüchte, und was in den Zeitungen steht, ich weiß nicht wirklich was. Schenke nie Gerüchten Glauben, die sind Scheiße.



Zurück zu eurem eigenen Album – gab es einen Song, der besonders schwierig war, als wäre er „verflucht“?
Eigentlich war dieses Album das einfachste von allen, denn das Einspielen lief so glatt, obwohl es eine Menge harter Arbeit gab und viel Zeit brauchte; dennoch, es gab keine großen Probleme mit den Songs, mit den Arrangements oder im Studio. Aber Amaranth war sicher am schlimmsten, ursprünglich nur als Bonustrack gedacht. Ich mochte den Song nicht wirklich, aber als ihn Anette dann sang – da wendete sich das Blatt, „Wow, der ist ja echt gut“. Dann dachten wir, der Song sei gut genug, um mit auf die CD zu kommen, und als wir dann nochmal reinhörten, dachten wir, OK, das wird eine Single, aber ich war immer dagegen, denn es ist nicht wirklich mein Lieblingssong am Album, echt, aber alle um mich rum meinten „der Song ist perfekt für eine Single, tu´s einfach“. Aber für mich sollte eine Single das Album repräsentieren, und diese ist nun so anders, sie könnte den Leuten einen falschen Eindruck geben – aber das ist ja vielleicht auch nichts Schlechtes!

Letzte Frage – du hast schon so viele Interviews gegeben, was ist die nervigste Frage, die du nicht mehr hören kannst?
„Wieso hast du Tarja gefeuert?“ Die Leute fragen mich das noch immer, todernst, und ich meine darauf immer „habt ihr länger in einer Höhle gehaust oder was?“, denn ich spreche nun nicht mehr darüber, das ist Vergangenheit. Aber die Leute stellen noch immer diese Frage – das nervt wirklich etwas, wirklich...

Keine nervigen Fragen mehr von mir – danke fürs Interview!



Nightwish videos:

“Amaranth”
http://www.myspace.com/nightwish
http://www.nuclearblast.de/events/clips/

“While Your Lips Are Still Red”
http://www.youtube.com/watch?v=KVSW9ZglxMI&NR=1


Autor: Klaudia Weber, photos: K. Weber, Nightwish
Eingetragen am: 2007-08-23

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