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Kypck: Von Oxford zu russischen Fight Clubs

Diese Band ist definitiv einzigartig – Finnen, die die russische Sprache und Kultur zelebrieren. Kypck haben 2007 etwas einzigartiges erfunden. Jetzt sind sie besser als zuvor wieder da, mit ihrer zweiten Veröffentlichung „Nizhe“. Nach ihrer kurzen Tour durch Russland haben wir Sänger E. Seppänen in der Ilves Bar, vor ihrer Show im Tavastia in Helsinki, getroffen. Er erzählte STALKER von jener Zeit, als er in Russland lebte, und erklärt, warum ihn der russische Lebensstil so fasziniert.

Wie geht es dir?
Ich bin ein bisschen krank. Ich habe mir eine Erkältung eingefangen in Russland, was nicht wirklich unerwartet ist. Aber jetzt geht es mir gut. Ich habe mich zwei Tage zuhause ausgeruht und ich warte auf die Show heute Abend.

Ihr habt gerade eure kleine Tour durch Russland abgeschlossen, wie waren die Konzerte dort?
Ich muss sagen es war laaaange… zumindest die Distanzen. Weil es fast 600 km zwischen jeder Show waren.

Oh, hattet ihr dann einige freie Tage dazwischen?
Nein, es waren vier Tage hintereinander. Grundsätzlich haben wir die ersten drei Nächte im Zug geschlafen und nur in den letzten beiden Nächten im Hotel. So reisten wir am Morgen, aber weisst du, sie haben nette Züge und all das, aber wenn du die ganze Zeit am reisen und du ein bisschen krank bist, wirst du sehr sehr müde. Und dann noch diese After Party’s und all das! Aber es war eine gute Show, oder gute Shows, eigentlich alle. Das Publikum war sehr gut in Russland, weil sie die Texte kennen, also ist es etwas besonderes.

Also waren die Leute dieselben, wie letztes Mal, als ihr da wart?
Yeah! Nun ja, ich weiss es nicht, weil wir woanders gespielt haben als letztes Mal. Ich meine, in einer Stadt so gross wie Moskau, wenn du von einem Klub in den anderen wechselst, sind die Leute irgendwie anders. Also nehme ich an, dass neue Leute da waren, auch einige bekannte Gesichter, aber ich war ein wenig überrascht, dass so viele Leute da waren, die uns das erste Mal sahen.

Das grösste Russische Commercial TV Network hat eine Reportage über euch gemacht, weil ihr das erste Mal in der Stadt Kypck wart, kannst du uns mehr darüber erzählen?
Yeah, es war dieser Sender, sie haben uns am Bahnhof getroffen und sind uns ein wenig gefolgt und sie haben ein Interview gemacht. Ich nehme an, dass sie auch ein wenig von der Show gefilmt haben, einfach für das Russische Fernsehen.

Also werden sie eine Art Special über Kypck, die Band zeigen?
Yeah, nun sie wollten die erste Show von Kypck in Kypck mitverfolgen. Das war offensichtlich nett, die Jungs waren ziemlich jung, zumindest jünger als ich.

Und sie werden es im offiziellen Russischen TV zeigen?
Yeah, in Kypck. Es ist der Lokale TV Sender dort. Bis jetzt weiss ich nicht, ob sie es jemals landesweit senden werden, aber wir werden sehen.

Habt ihr erwartet, dass der “Hype” um euer zweites Album “Nizhe” sogar noch grösser wird als um euer erstes Album?
Allgemein? Naja, das ist schwer zu sagen, weil offensichtlich wussten wir irgendwie, dass wir uns einen Namen gemacht haben nach dem ersten Album. Denn wir spielen eine nicht so populäre Art von Metal mit Doom Elementen und so, sehr langsame Musik. Es ist immer noch auf eine Art ganz am Anfang, also die Leute die wirklich an uns interessiert sind, wissen von uns, aber naja.. Sagen wir mal, wir haben ein paar Hörer mehr und offensichtlich sind wir glücklicher mit dem Album, als wir es mit dem Vorgänger waren. Weil wir jetzt wissen, was wir tun. (Lacht)

Im Interview 2008 mit meiner Kollegin Marina hast du gesagt, dass ihr das Konzept mit jedem neuen Album anders machen wollt. Aber „Nizhe“ hat immer noch das gleiche Konzept wie „Cherno“, oder nicht? Was sind die Unterschiede zwischen den beiden Alben in deinen Augen?
Nun ja, es kommt drauf an was du mit Konzept meinst. Ich meine, es dreht sich sehr viel um Russland, aber ein grosser Unterschied ist, dass sich das neue Album hauptsächlich um das 18th-19th Jahrhundert, Russlands Zarenzeiten dreht. Ich meine, die Single „Alleya Stalina“ ist sehr wahrscheinlich die einzige Ausnahme, wo wir etwas anderes aus modernen Zeiten erwähnen. All die anderen Songs basieren auf dem zaristischen Russland und sogar „Alleya Stalina“, es basiert auf einem Traum den ich hatte, also ist es nicht wirklich ein historischer Song. Also in diesem Sinne meine ich, dass wir ein bisschen tiefer (lächelt) in die russische Geschichte eingedrungen sind. Wir haben den Fokus einfach weiter nach hinten geschoben in der Geschichte Russlands. Aber ich möchte nicht sagen, dass das nächste Album so oder so sein wird, es währe eine Art Verlust der Thematik. Weisst du, ich möchte mich selbst nicht zu sehr einschränken als Songschreiber, also wenn ich mich danach fühle, muss ich einen Song schreiben, über einen Traum, den ich hatte so wie „Alley of Stalin“ - ich mache das sowieso. Ich versuche mich nicht zu sehr daran zu erinnern, was wir in der Vergangenheit gemacht haben. Ich mache einfach was natürlich kommt. Aber offensichtlich ist der Fokus mehr auf der Vergangenheit.

Woher kommt deine Liebe zu Russland, hast du russische Wurzeln oder wie kommt es, das es dich so fasziniert?
Vorwiegend durch die Geschichte. Ich weiss nicht wie es angefangen hat. Mein Vater ist ein Geschichte-Freak.

Aber du hast keine russischen Wurzeln, richtig?
Nein, gar nicht. Es ist einfach so, mein Vater hat eine grosse Bibliothek. Als Kind erzählte er mir immer diese Storys über die Geschichte. Ich nehme an, dass ich dadurch als erstes fasziniert von der finnischen Geschichte war, und es ist auch ein Teil der russischen. Weil wir so lange unter russischer Führung waren. Weisst du, du kannst keine finnische Geschichte haben ohne die russische. Es macht keinen Sinn.

Einige Finnen sind immer noch gegen Russland wegen dem Krieg damals zwischen Finnland und Russland, wie ist das bei dir?
Ich weiss, aber ich nehme an, ich war immer eine Ausnahme. Ich fand es immer sehr merkwürdig, ich weiss nicht ob es meine Erziehung war, aber ich habe es immer als eine Art grosses Geheimnis gesehen. Wir haben diese drei Nachbarn, Schweden, Norwegen und Russland. Wir müssen Schwedisch in der Schule lernen und jeder macht diese Boot-Trips zwischen Schweden und Finnland also weiss eigentlich grundsätzlich jeder über Schweden und Norwegen bescheid. Aber dann ist Russland dieser Riese gleich nebenan. Ich habe es einfach sehr merkwürdig gefunden.

Also war es interessant, weil es etwas Unbekanntes war?
Yeah, eine Art Tabu, wirklich. Ich war immer die Art von Person, die Tabus mag (lacht) Oder ich wollte irgendwie in den Dingen rumstochern, die kein anderer anfassen wollte. Weisst du, für mich war das wirklich interessant. Und keiner wusste irgendwas, und keiner kannte die Sprache, oder die Buchstaben, also wollte ich mehr darüber herausfinden. Ich bin einfach davon fasziniert.

Was magst du heute am meisten an Russland?
Puhh..naja, wenn man die Literatur und die Geschichte weglässt, von der ich immer noch ein grosser Fan bin. Nun, offensichtlich kann man nicht wirklich abstreiten, dass Russland ein grosses Literaturgut hat, aber darüber hinaus gesagt, ist es einfach so anders als wir und doch so nahe. Die Leute sind ziemlich anders und es ist sehr erfrischend, dorthin zu gehen. Ich weiss nicht ob es wegen der wirtschaftlichen Lage im Land ist, die immer noch so ärmlich ist, weil eigentlich immer Krieg ist, das sollte man nicht vergessen. Sie sind irgendwie offener und stehen sich irgendwie näher, weil die Dinge jederzeit schief gehen können. Ich hatte immer auf eine Art eine leichte und direkte Beziehung zu Russen, die ich getroffen habe, jede Art von Herzlichkeit auf eine gute und schlechte Weise. Sie sind sehr emotional, und das ist erfrischend.

Also stimmt du diesem typischen Bild von Finnen zu, dass sie verschlossen sind?
Ja, weil Finnland ein sehr kleines Land ist.

Nicht im Vergleich zur Schweiz!
Yeah, Finnland war schon immer isoliert, vielleicht auch die Schweiz. Es ist in der Mitte von Europa und Finnland war immer irgendwo dort oben. Ich hasse es über Klischees zu sprechen, aber die typisch finnische Weltsicht ist, dass wir hier oben in der Ecke sind und alle anderen dort drüben, „Bleibt uns vom Leib!“ Und ich fand das immer ein wenig deprimierend. Ich sehe das nicht so. Also war Russland eine grosse Chance für mich. Als ich dorthin ging, war alles anders.

Deine Muttersprache ist nicht Russisch, aber du hast einige Jahre in Russland gelebt. Ist es nicht schwieriger, deine Gefühle niederzuschreiben in einer Sprache wie Russisch, welche nicht so leicht ist wie zum Beispiel English?
Yeah, am Anfang war es nicht so einfach, aber du weisst, ich habe auch einige Jahre dort gelebt. Ich hatte Zeit es zu lernen. Ich habe ein Tagebuch in Russisch geschrieben, zwei Jahre lang, also musste ich auch über die Dinge in Russisch nachdenken. Es hat als eine Art Übung begonnen, um die Sprache zu lernen, aber ich habe es einige Jahre weiterhin gemacht. Es ist schwieriger natürlich, weil ich nicht viel Übung im Russischen habe, weil ich hier keine Möglichkeit habe, diese Sprache zu sprechen. Aber nach einem Album, und jetzt dem zweiten Album wird es einfacher. Und offensichtlich recherchiere ich viel.

Aber schreibst du direkt in Russisch oder zuerst in Finnisch oder Englisch?
In Russisch, weil ich auch das Gefühl der Sprache haben möchte. Jedes Mal, wenn du etwas schreibst, vor allem Songtexte, kann ein Text zum andern führen.

Wie ich schon zuvor erwähnte, hast du in Russland gelebt. Gibt es irgendein bemerkenswertes Erlebnis, an das du gerne zurück denkst und das du mit uns teilen möchtest?
Ahh. viele Dinge. Es sind wirklich zwei Phasen, die ich hatte. Eine war vor England und eine war nach England, weil ich auch drei Jahre lang in England gelebt habe.

Dann bist du aber wirklich rumgekommen!
Yeah, naja in Europa hauptsächlich und Russland. Ich war noch nie wo anders. Aber da gibt es vieles, alleine St. Petersburg selber, ich habe dort die längste Zeit gelebt und in der Botschaft in Russland gearbeitet, was eigentlich toll hätte sein sollen, aber in Wirklichkeit waren da viele fiese Leute. Nicht die anderen MitarbeiterInnen, sondern die Chefs. Wegen meiner Zeit in Oxford dachte ich, dass man über alles Mögliche sprechen und diskutieren kann und auch Autorität in Frage stellen. Und dann bekommst du diese Leute vor die Nase, die immer noch in Stalins Zeiten leben und glauben, weil sie dein Boss sind können sie ... weiss nicht. Ich hatte grosse Probleme dort. Aber das waren Finnen.
Und danach war ich eine Art von Freelancer in St. Petersburg. Ich habe nicht viel gemacht, einfach ein paar Übersetzungen. Hauptsächlich bin ich rumgehangen, habe viel mit Alkohol experimentiert und ich war in einer Art Fight Club in St. Petersburg, in den Parks mit Russen. Es war irgendwie ein Hobby. Ein bisschen komisch, jetzt wo ich zurück denke. Ich bin jetzt Vater, aber vor fünf Jahren, ich glaube ich wollte einfach alles Extreme sehen. Das war eine der Phasen, wo ich viel komisches Zeug gemacht habe. Aber es war so, du gingst hin, hattest ein paar Bier, dann ein Kampf, dann noch mehr Bier und das wars. Ich weiss nicht, ob ich das gerne nochmal machen möchte. Ich bin jetzt über 30 (lacht) aber das ist eines der Dinge, an die ich mich erinnere. Russland ist voller Extreme.

Ok, und das ist es, was du magst.
Yeah, weil du auch diese hochwertige Kultur hast, tolle Museen, tolle Literatur. Dann gibt es auch den Underground von St. Petersburg, der etwas anderes ist. Also ich denke, mit Kypck graben wir ein bisschen tiefer, wir spielen herum.

Was würdest du Leuten empfehlen, die noch nie in Russland waren, was sollten sie deiner Meinung nach sehen oder tun, um das wahre Russland zu erleben?
Oh, das wahre Russland? Ich würde sagen, fang in St. Petersburg an, so bekommst du erstmal einen einfachen Start. Aber wenn du Russland kennen möchtest, musst du auch wo anders hin. Ich würde sagen St. Petersburg und Moskau sind das Europäische Russland. Geh in eine kleine Stadt.

Also denkst du es wäre besser, einige der ärmeren Orte zu sehen und nicht die “Reichen”?
Yeah, geh nach Jaroslawl oder einfach in kleinere Städte, aber wenn du die Sprache nicht kennst, wirst du Probleme haben. Beginn in St. Petersburg und mach einen Ausflug wo anders hin.

Ist es wahr, dass man immer mit Einheimischen unterwegs sein sollte?
Es kommt drauf an, wie gut du die Sprache sprichst. Wenn du Russisch sprichst, ist es ok, aber wenn nicht, ist es besser jemanden zu haben.



Kypck ist auch sehr gefragt im Rest von Europa, gibt es Pläne, dass auch das südlichere Europa die Chance bekommt, euch live zu sehen?
Es ist lustig, weil wir gerade vor einigen Tagen ein langes Gespräch im Zug von Moskau zurück hatten. Ich glaube nicht, dass wir in Europa touren werden. Ich meine das ist wieder so was, sag niemals nie, aber im Moment glaube ich, machen wir einfach ein paar Einzel-Gigs. Weil wir in der Band Leute wie Sami Lopakka haben, der viel getourt hat. Und ich war auch viel auf Tour mit meinen anderen Bands. Mit Kypck wollten wir einfach die Shows zu einem besonderen Event machen, insofern das möglich ist. Wir hatten viele Anfragen, um irgendwo in Europa zu spielen, ungefähr ein Jahr nach unserem ersten Album, aber damals haben wir uns entschlossen das nicht zu machen, weil wir uns auf das neue Album konzentrieren wollten und dann Shows spielen wollten mit dem neuen Material. Wir machen das Brutal Assault in der Tschechei und hoffentlich auch einige Shows mehr hier und da. Aber als eine vollständige Tour? Ich glaube kaum.

Also spielt ihr lieber bei ein paar Festivals?
Yeah, ich glaube das ist der Weg für diese Band. Aber wer weiss, im Moment scheint es so.

Was erwartest du dir von heute Abend?
Hoffentlich erinnern wir uns an die Songs. Wir haben sie am Sonntag in Voronezh, Russland gespielt. Ich weiss es nicht, wir werden die grösste russische Metal Show der Welt spielen (lacht) Wir werden sehen was passiert. Hoffentlich sind viele Leute da.

Ok Danke für das Interview und eine tolle Show heute Abend!
Danke!

www.kypck-doom.com
Autor: Sandy Mahrer, photos: Band
Eingetragen am: 2011-04-16

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