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Moonsorrow - eine neue Welt wird geboren, wenn die alte stirbt

Anlässlich der offenen Listening Session ihres neuen Albums "Hävitetty" machten sich zwei der Moonsorrow-Mannen, zusammen mit ihren Finnischen Kollegen von Swallow The Sun, auf den weiten Weg nach Hamburg. Was Ville Sorvali & Marko Tarvonen dabei im Gepäck hatten war so außergewöhnlich, dass neben dem STALKER schon einige neugierige Journalisten in den Startlöchern saßen...

Ville: Ich kann alle deine Fragen beantworten, ehe du sie stellst.

Ok!
Ville: Warum sind eure Songs so lang? Warum singt ihr in Finnisch?
(Stille)

Naja, und weiter?
Ville: Wie heißt euer Lieblings-Fußballteam in Hamburg? St. Pauli! Ok, fang mit dem Interview an.



Es geht tatsächlich ums neue Album. Der Titel (Hävitetty) bedeutet "zerstört", oder?
Ville: So ähnlich, ja. Aber nicht wirklich die offizielle Übersetzung...

Wie lautet die?
Ville: Verwüstet.

Wieso habt ihr diesen Titel fürs Album gewählt?
Ville: Weil es hier um das Ende der Welt geht. Ich glaube, das ist auf Markos Mist gewachsen.
Marko: Yep!

Wie?
Marko: Naja, ich habe als erster damit angefangen! Das Ende der Welt ist nahe. Es gibt konkrete Zeichen, dass es mit der Welt bergab geht.

Welche Zeichen?
Marko: Religionen verursachen alle Kriege. Alles Gute in dieser Welt verschwindet.
Ville: Ich sehe schon, du willst uns dazu bringen, etwas zu sagen, das wir nicht sagen wollen. Ich sehe es!



Verflixt! Du hast mich ertappt.
Ville: Ich bin ja auch Journalist. Tut mir leid! OK, willst du noch was?

Ja.
Ville: Ok! Die Welt ist kein besonders lebenswerter Ort, und das neue Album drückt das aus. Es ist voller Melancholie und Depression ...
Marko: …oder Aggression…
Ville: Aggression durch Depression.

Aggressionen gegenüber was?
Ville: Ich weiß es nicht. Wir sind keine aggressiven Menschen, es ist eher...
Marko: Was Mentales.
Ville: Die Botschaft richtet sich gegen die Richtung, in die sich diese Welt entwickelt, und unseren Lebensstil. Das Album kündigt an, dass die Welt, die wir kennen, zu Ende ist. Das ist nicht der einzige Aspekt des Albums.

Habt ihr auch Vorschläge, das Ganze abzuwenden, oder ist es nur eher wie "ihr habt das alles angerichtet"?
Ville: Nein. Das Album endet mit noch mehr Depressionen, und gegen Ende wird es noch hoffnungsloser. Und am Schluss ist alles verloren, die Welt endet. Wenn du das Album vom Anfang bis zum Schluss anhörst, wird eine neue Welt geboren.

Was für eine neue Welt?
Ville: Anfänglich habe ich ein paar Verse von der skandinavischen Mythologie verwendet, um zu beschreiben, wie eine neue Welt geboren wird, wenn die alte Welt stirbt. Und wenn die neue Welt geboren wird, entwickelt sich wieder alles langsam in die Richtung dieser Scheiße, in der wir jetzt stecken, und die Welt endet erneut.



Gibt es in dieser neuen Welt noch immer Menschen?
Ville: Ja. Wenn die neue Welt beginnt, haben wir noch Hoffnung, aber dann entwickelt es sich zu dem, was wir jetzt erfahren.
Marko: Ich glaube, dass alles zyklisch vergeht und wieder kommt. Wenn du die moderne Zeit mit dem römischen Weltreich vergleichst, beispielsweise, gab es die Hochblüte Roms und dann die Zerstörung Roms, und ich glaube, die damals dachten auch, dass damit alles zu Ende ist. Und dadurch wird wieder eine neue Welt geboren... und so war es damals auch.

Also könnte unsere Zeit als das Amerikanische Weltreich bezeichnet werden, oder?
Ville: Es geht gar nicht um die westliche moderne Gesellschaft sondern um das Ganze. Es passiert überall.

Also glaubst du, dass es eine Kultur gibt, die wert oder geeignet wäre, wie ein Weltreich zu agieren, ohne zerstört zu werden?
Ville: Ich weiß nicht, warum es Weltreiche überhaupt aufgebaut werden sollten. Es sollte gar keine geben.

Meiner Meinung nach gibt es schon eines, gewissermaßen.
Ville: Gibt es ja auch, und darum wird es auch zerstört... unwiderruflich. Und dann wird ein neues geboren. Das ist traurig! Aber wir bauen keine neue Welt auf. Unsere Musik drückt die Gefühle in der heutigen Welt aus, und vielleicht das Klischee, dass es ein Licht am Ende des Tunnels gibt.

Also, mit so einer Einstellung klingt es so, als ob es keine besonders gute Idee wäre, Kinder in diese Welt zu setzen?
Ville: Naja, stimmt. Aber was sollen wir tun? Sogar wenn wir wissen, dass alles den Bach runtergeht, sind wir nur fünf Leute, die ihre Worte in die Wüste brüllen und hoffen, dass irgend jemand zuhört.



Aber manchmal braucht es nur eine Person, um die Welt zu ändern.
Ville: Ich weiß. Aber ich glaube nicht, dass wir das können. Aber zurück zum Kinderkriegen, auch wenn du das Gefühl hast, dass du in einer beschissenen Zeit lebst, musst du Vertrauen in die Zukunft haben.

Aber wenn du wirklich an das glaubst, was da am Album gesagt wird, dann solltest du dich wohl am besten umbringen!
Ville: Ich habe mich entschlossen, mich nicht umzubringen, weil ich erleben will, was passiert! Sogar mit dem Wissen, dass alles Scheiße ist und Scheiße bleibt und die Welt untergeht, glaube ich trotzdem an die Zukunft. Ich will eine bessere Zukunft für mich und meine Kinder sehen.

Reden wir über euch privat. Was ist das beste in eurem Leben, und was bringt euch dazu, diese Art von Musik zu schreiben?
Marko: Diese Band würde es ohne diese beschissene Gesellschaft heutzutage nicht geben. Denn unsere Fans sind die Konsumenten, die diese Musik kaufen. Sie machen beispielsweise dieses Interview möglich. Natürlich wurde es keinen Sinn machen, eine kleine Gemeinschaft irgendwo in den finnischen Wäldern zu gründen, nur die Band mit engsten Freunden. So könnten wir sicher nicht überleben. Aber das wäre absolut wünschenswert, wenn es nicht von so vielen anderen Dingen abhinge. Ich glaube, das geht jetzt etwas zu weit...

Dann reden wir doch von erfreulicheren Dingen.
Ville: Wir haben gewisse Freude daran, in der Band zu sein, als Möglichkeit, unsere negativen Gefühlen auszudrücken. Es ist wie Therapie. Ich glaube, für alle Musiker dieser Welt ist Musikmachen eine gute Therapie.

Einige Musikrichtungen ausgenommen…
Beide: Welche?

Volksmusik. (Lacht) Ich glaube nicht, dass dahinter diese Gefühle stecken.
Ville: Keine Ahnung. Jeder Mensch hat sowohl positive als auch negative Gefühle.



Am letzten Album hattet ihr fünf Songs, und auf diesem gibt es zwei Titel, wobei ein Song in zwei Teile gegliedert ist. Also, was passiert am nächsten Album? Nur mehr ein Song?
Ville: Ja, genau! Es wird da nur einen Drei-Minuten-Song geben, und der wird ein Radiohit! Nein... wie gesagt, es wird die Zeit kommen, wo wir ein Album mit nur einem Song machen, aber nicht beim nächsten. Und wenn wir dieses Ein-Song-Album machen, wird das das Ende sein.

OH?!
Ville: Aber es wird nicht das nächste sein.

Also, wie wird sich das nächste Album von diesem hier unterscheiden?
Ville: 25 Songs!

Ah, also entwickelt ihr euch in Richtung Punk! (Lacht)
Marko: Könnten wir machen! Du weißt ja nie, was die Zukunft bringt.

Kannst du den Lesern, die euch nicht kennen, die Persönlichkeiten der Bandmitglieder kurz beschreiben?
Ville: Wieso kennen sie die Bandmitglieder nicht? Was ist los mit deinen Lesern?
(Gelächter)
Marko: Ich übernehme das! (Lacht) Es gibt bestimmte Rollen. Henri beispielsweise ist der wichtigste Songwriter, Ville schreibt die Texte und ich bin der Schlagzeuger, und mein einziges Ziel ist es nur, mehr Widersprüche in die Band und alle zum Streiten zu bringen. Und ich beteilige mich auch am Organisieren unserer Gigs, damit wir zumindest einmal im Jahr auftreten... oder zweimal.. oder hundertmal.

Ist das nicht der Job des Labels?
Marko: Ja, aber wir haben keinen Manager, weil wir glauben, dass eine Band wie Moonsorrow keinen Manager braucht, weil wir stark genug sind, das Business selbst in die Hand zu nehmen. Aber wir haben unsere Booking Agencies in Finnland und in Europa und Kontakte in den USA und Kanada, um dieses depressive melancholische Endzeit-Zeug unter die Leute zu bringen. Das Label kümmert sich um die geschäftlichen Angelegenheiten. Sie ernten die Früchte unserer harten Arbeit und lachen auf dem Weg zur Bank! Und sie geben uns nur ein paar Prozente von den Verkäufen. Und wir lachen nicht...
Ville: Ja, aber jeder hat eine kleine Aufgabe. Wie unser Gitarrist Mitja, der die Band mit Feuerlöschern bei Laune halten muss. Nackt durchs Hotel rennen und so! Aber auch wenn wir nicht völlig gleichwertige Rollenverteilung haben, was das Business betrifft, so brauchen wir wirklich jeden einzelnen in der Band! Ich glaube nicht, dass es noch dasselbe wäre, wenn ein Bandmitglied ausgewechselt würde.

Also, was macht ihr, wenn ihr nicht in der Band seid?
Marko: Ich hab einen beschissenen Job in einer beschissenen amerikanische Firma in Finnland, was auch ein beschissenes Land mit jämmerlichen Leuten ist…! ( Lacht) Das ist meine einzige Freizeitbeschäftigung! Nein, ich versuche, eine sehr normale Person zu sein. Es gibt nicht viel zu erzählen. Ich hab ein normales Familienleben.
Ville: Ich hab auch ein sehr langweiliges Leben. Ich habe zwei kleine Katzen, die ich vor zirka einer Woche bekommen habe. Die sind so süß! Sie raufen und sie gehen auf die Nerven, wenn sie alles kaputt machen. Ich arbeite für ein finnisches Musikmagazin. Ich arbeite auch als Roadie und mache alles mögliche, um meinen Arsch zu retten. Und in meiner Freizeit spiele ich Football Manager!

Das Computerspiel?
Ville : Ja! Wann auch immer Zeit ist und ich vom Stress dieser Welt verschont bin, spiele ich Football Manager und fühle mich erleichtert.
Marko: Du fühlst dich wie ein Gott!
Ville: Ja!
(Gelächter)


Autor: Samira Alinto, photos: hfr., trans. K. Weber
Eingetragen am: 2006-12-17

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