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Blind Guardian: Die Seele baumeln lassen

Schlechtes Wetter drückt Hansi Kürsch, seines Zeichens Sänger, Frontmann und ex-Bassist der Krefelder Kult-Metaller BLIND GUARDIAN nicht auf das Gemüt. Redselig steht er Rede und Antwort über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Auch leichtere technische Probleme mit dem Telefon können ihn dabei nicht bremsen!

Hansi, ihr seid nun seit fast einem Jahr on the Road, werdet auch noch weiter auf Tour sein. Was ist dein Fazit zum bisherigen Tourverlauf?
Die Tour macht Spaß und ist noch erfolgreicher als die A-Night-at-the-Opera-Tour, welche unsere bis dahin erfolgreichste war. Wir waren in noch mehr Ländern als bei der letzten Tour, man kann eigentlich sagen, dass wir wirklich weltweit touren können, was aus den großen Metal Bands wie Iron Maiden wohl sonst keiner von sich behaupten kann. Auf dieser Tour werden wir sogar erstmals in Afrika spielen. Ansonsten hat sich unser neuer Drummer Frederik gut etabliert. Er passt wirklich gut zu uns, ist sogar noch stiller als wir anderen. Wir sind zwar alle nicht introvertiert, aber auch alles andere als extrovertiert. Außerdem ist Frederik sehr down to earth. Er hat keine Starallüren oder so was. Insgesamt ist die Tour aber doch sehr anstrengend. Auch wenn unser zweiter Tour-Block in Nordamerika nicht so schlimm war, wie ich befürchtet habe.



Mit „Another Stranger Me“ ist gerade eure neue Single erschienen. Warum erscheint sie erst jetzt, wo das Album schon mehr als neun Monate auf dem Buckel hat?
Ursprünglich sollte die Single auch schon Ende Februar erscheinen, aber irgendwie hat es sich immer mehr hingezogen. So ist jetzt aber auch nicht schlecht, denn jetzt ist die Scheibe ein Teaser für die Festival-Saison, damit wir den Fans wieder präsent sind. Eigentlich wollten wir auch eine andere Nummer auskoppeln, die in einem Film namens „In the Name of the King“ oder so ähnlich, vorkommt. Als das dann doch nicht geklappt hat, haben wir uns für „Another Stranger Me“ entschieden.

Bei eurem letzten Album habt ihr gesagt, dass eigentlich gar keine Lust habt, Geld in ein Video zu stecken. Warum jetzt also doch wieder eines?
Das hat zwei Gründe. Zunächst hat unsere alte Plattenfirma Virgin keinen Sinn darin gesehen, ein Video zu machen, dass eh nirgendwo läuft. Außerdem ist es so, dass du als Künstler dich zur Hälfte an dem Video beteiligen musst. Und nachdem ich damals das Ergebnis des Videos zu „Mirror Mirror“, das mit der ursprünglichen Idee nichts mehr zu tun hatte, gesehen habe, habe ich beschlossen, dass ich so was nicht mehr brauche. Der zweite Grund ist, dass Nuclear Blast da eine andere Strategie fahren. Sie sehen durchaus kommerziellen Sinn in einem Video und versuchen auch diese ins Fernsehen zu kriegen. Außerdem arbeiten sie mit anderen Leuten zusammen, die für weniger Geld einen besseren Job machen. Ein Video ist auch immer für ein Enhanced-Part auf einer CD gut.
Wir haben dann das „Another Stranger Me“-Video damals als Werbung für das Album gemacht. Das wir uns jetzt entschlossen haben, diesen Song auszukoppeln, war dann eine glückliche Entscheidung.

Wie betrachtest du eure letzten beiden Alben „A Night at the Opera“ und „A Twist in the Myth“ mit etwa Abstand?
Ich habe festgestellt, dass es zwei Lager innerhalb unserer Fans gibt. Den einen wäre es das Liebste, wenn wir weiter Alben wie „Somewhere Far Beyond“ oder „Imaginations“ aufnehmen. Die anderen, und das ist die größere Gruppe, wollen, dass sich Guardian weiterentwickeln. ANATO hatte hochklassige Songs, ist aber etwas überproduziert. Da haben wir es wohl zu gut gemeint. Der Titel und das Cover haben damals dafür gesorgt, dass einige Leute sehr reserviert an das Album gegangen sind. Als Thomen dann ausgestiegen ist, ist das Album wieder ins Gespräch gekommen, und viele haben sich erstmals richtig mit den Songs beschäftigt und dann gemerkt, dass es eigentlich sehr gut ist. Da es schon im Songwriting-Prozess zu ANATO Meinungsverschiedenheiten mit Thomen gab, war das Album für uns ein notwendiger Neuanfang. Außerdem hat die Platte unseren Horizont erweitert und für die Zukunft mehr Türen aufgestoßen. Eines war klar: Wir wollten und wollen keine Selbstkopie werden. Unser neues Album hatte da von Anfang an einen leichteren Stand und weniger Anlaufschwierigkeiten. Allerdings hatte es einen gewissen Negativ-Bonus, weil viele gleich gesagt haben, dass die Scheibe wieder wie ANATO klingen muss, ohne sie ein Mal gehört zu haben. Unsere nächste Platte wird aber auch wieder neue Maßstäbe setzen.

Schaut man sich eure Live-Setlist an, so fällt einem doch auf, dass ihr von den beiden genannten Alben aber nur sehr wenige Nummern spielt. Auch finde ich es seltsam, dass mit „Harvest Of Sorrow“ regelmäßig ein Stück auf der Liste ist, dass auf keinem Album vertreten ist.
Es ist so, dass wir von einem neuen Album bisher NIE mehr als drei Nummern gespielt haben. Das liegt daran, dass sie erstens noch nicht so bekannt bei unseren Fans sind und außerdem die Vorbereitungsphase zu kurz ist. Die neuen Nummern müssen umtransponiert werden und so weiter. Auf der Tour haben wir aber insgesamt fünf neue Stücke gespielt (This will never end, Fly, Another stranger Me, Skalds and Shadows, Carry the Blessed Home). Auch von ANATO kommen regelmäßig „Punishment Divine“ und das bekanntlich überlange „And then there was Silence“ zum Zuge, sodass auch hier die Spielzeit stimmt. Übrigens ist letztgenannter Song einer der beliebtesten Songs bei unseren Anhängern. „Harvest of Sorrow“ haben wir übrigens nur selten auf dieser Tour gespielt.

Aber besteht nicht die Gefahr, dass euren älteren Fans die Shows irgendwann langweilig werden, wenn sie immer die selben Songs hören?
Auch von unseren älteren Scheiben wie „Tales“ und „Somewhere“ spielen wir selten mehr als zwei oder drei Songs. Wenn du im Internet Setlists von unseren Konzerten suchst, wirst du schnell feststellen, dass wir ein Repertoire von etwa 30 Songs haben, zwischen denen wir immer wechseln. Außerdem möchte ich mal erleben, was passiert, wenn wir auf einmal Songs wie „The Bard`s Song“, „Nightfall“ oder „Mirror Mirror“ zugunsten neuer Stücke von der Setlist streichen.



Was ist für dich persönlich der Sinn von Musik?
Wenn ich Musik mache, ist das zunächst einmal Ausdruck meiner Seele. Bei unseren Konzerten geht es um Kommunikation mit dem Publikum und auch als Band. Außerdem ist dies auch immer ein Emotionsaustausch. Wenn ich Musik höre, geht es mir vor allen Dingen darum, meine Seele baumeln zu lassen. Dann will ich in erster Linie die Musik konsumieren. Natürlich fange ich, was wohl an meinem Beruf und meiner Erfahrung liegt, irgendwann an, die Musik zu analysieren. Das ist aber absolut zweitrangig und ich kann auch nicht sagen, wann das passiert. Vielleicht nach ein paar Monaten, vielleicht aber auch erst nach zwei Jahren.

Begibt man sich auf eine Zeitreise durch den Guardian-Backkatalog, so fallen einem gewisse Veränderungen auf. Früher waren eure Songs recht einfach, auf Riffs basiert und hatten längere Instrumentalpassagen. Heute ist vieles komplexer. Ähnlich sieht es bei den Lyrics aus: Früher waren diese sehr einfach gehalten, das Hauptaugenmerk lag auf Ohrwurmcharakter und Mitsingbarkeit. Heute sind die Texte wesentlich komplexer, auch gibt es fast keine Stellen ohne Gesang. Was ist für dich heute der Anspruch, die Herausforderung, wenn du Lyrics zu einem Song schreibst?
Mit meinen Lyrics will ich die musikalische Darbietung wiederspiegeln. Musik und Lyrics müssen eine Symbiose eingehen. Thematisch geht es heute um große Sachen. Unsere Texte haben da einen ganz anderen Charakter bekommen und gehen schon bald ins Philosophische.
Was deine Analyse anbelangt, so denke ich, dass du im Großen und Ganzen richtig liegst. Wir gehen aber nach wie vor gleich ans Songwriting dran. Wir versuchen ein musikalisches Bild zu malen. Was sich bei uns geändert hat, ist, dass es uns heute um Präzision und Melodien geht. Mit scharfen, groovigen Riffs oder aggressivem Geschrabbel können wir heute nichts mehr gewinnen. Da gibt es Nu-Metal-Bands die das schon ausgereizt haben. Wir besinnen uns da lieber auf das, was wir können und das sind Melodien. Dazu kommt, dass das Material durch die Orchestrierung natürlich eine neue Ausrichtung bekommen hat.

Schaut man sich die Bonus-Tracks eurer Singles an, so fällt auf, dass hier selten völlig neue Stücke verwendet werden. Meistens gibt es Cover oder alternative Versionen von anderen Songs. Bleibt bei Guardian-Produktionen so wenig Überschuss über, der nicht auf das Album passt?
Wir haben schon Material, dass nach einer Produktion brach liegt. Unsere Produktionen sind aber so schon sehr zeitaufwendig, sodass wir uns auf die Songs konzentrieren, die auf das Album kommen und bei denen wir uns sicher sind, dass wir sie wenigstens als B-Side verwenden können. Eine Coverversion ist da natürlich wesentlich weniger zeitaufwändig.

Beschreibe und charakterisiere den typischen Blind Guardian-Fan!
Der typische Blind Guardian-Fan ist sehr offen für Neues. Altersmäßig kann man ihn in keine Kategorie einordnen. Ich habe festgestellt, dass wir viel mehr junge Fans haben, als ich gedacht hätte. Das sind auch nicht unbedingt Fans, die regelmäßig Metal-Gazetten lesen. Man wirklich sagen, dass in unserem Publikum alles vom Kiddie bis zum Familienvater vertreten ist.

Du hast dich vor einigen Jahren dahin gehend über Metal geäußert, dass du dir wünschen würdest, dass sich der Metal weiterentwickelt und nicht im Stillstand verharrt. Wie betrachtest du die Situation heutzutage?
Es sah lange Zeit trister aus als heutzutage. In den Neunzigern sah es so aus, dass Alben in immer kürzeren Abständen veröffentlicht wurden. Dabei haben sich die Bands häufig nur selbst kopiert oder von den Großen wie Maiden und Priest abgeguckt. Heute geht es aber wieder in die richtige Richtung. Bands wie zum Beispiel Threat Signal haben dem Metal eine neue Dimension geben.

Euer ehemaliger Drummer Thomen Stauch hat mit seiner neuen Band Savage Circus vor einiger Zeit sein Debüt „Dreamland Manor“ vorgelegt. Was denkst du über die Scheibe?
Ich finde die Scheibe wirklich gut, muss ich sagen. Allerdings liegen zwischen dem heutigen Guardian-Material und der Scheibe Welten. Das muss aber jeder selbst einschätzen. Ich glaube, dass das meiste des Materials auch in den Neunzigern bei uns keine Verwendung gefunden hätte.



Du hast in deiner Karriere mit vielen Musikern zusammengearbeitet. Therion, Kai Hansen von Gamma Ray und Jon Schaffer von Iced Earth sind da nur einige Namen. Welche der Kollegen haben dich nachhaltig beeindruckt?
Da gab es eine Menge. Zuerst muss ich da Viktor Smolski von Rage nennen, mit dem ich im Rahmen der 20-Jahre-Nuclear-Blast-CD zusammengearbeitet habe. Kai Hansen ist natürlich eine ziemliche Ikone. Bei Jon Schaffer muss ich sagen, dass mich mit ihm mittlerweile, durch unsere Zusammenarbeit, Respekt und Freundschaft verbindet. Man kann von anderen Musikern halt immer eine Menge lernen. Wahnsinnig finde ich auch die Entwicklung, die die Jungs von Edguy hingelegt haben.

Was würde Hansi Kürsch heute machen, wenn es damals mit dem Durchbruch nicht geklappt hätte?
Ich habe wirklich keine Ahnung. Wir haben wirklich immer hart an unserem Erfolg gearbeitet. Wir hatten halt eine Zukunftsvision, auf die wir hingearbeitet haben. Hätte es nichts geklappt, hätte ich mir wohl was anderes Erfolgversprechendes gesucht.

Kommen wir zu einer persönlicheren Frage: Wie hältst du es mit Sport?
Ein gutes Thema, hahaha. Es ist so, dass ich in den ersten 20 Jahren meines Lebens sehr viel Sport getrieben habe. Mit meinem Einstieg bei Guardian ist das dann aber nach und nach verebbt. Heute plagen mich da die Bandscheiben, mein Doppelkinn und mein dicker Bauch. Ich gehe aber nach wie vor gerne laufen. Ich würde auch gerne Schwimmen, kann das aber auf Grund meiner Ohren nicht. Ansonsten gucke ich ganz gerne Fußball. Nicht zu vergessen, dass man auf Tour auch immer das ein oder andere Kilo verliert.

Kommen wir zur Zukunft: Wo siehst du dich und Blind Guardian in 10 Jahren?
Wir werden auf jeden Fall noch da sein. Ob wir immer noch erfolgreich sein werden, steht auf einem anderen Blatt. Das kann ich heute schlecht beurteilen. Ob wir weiter so ausgiebig touren werden, wage ich jetzt auch noch nicht zu sagen. Wir werden aber auf jeden Fall das ein oder andere Projekt realisiert haben und es wird auch noch einige Überraschungen geben.

Und was steht für die nächste Zukunft bei euch so?
In diesem Jahr ist es 20 Jahre her, dass wir „Battalions of Fear“ veröffentlicht haben. Für viele war das ja der Beginn von Guardian, auch wenn dies eigentlich zwei Jahre früher liegt. Wir werden dafür eine Reihe von Remasters rausbringen. Unsere ersten beiden Alben wollen wir dann auch noch remixen. Zu unserem 25-jährigen Jubiläum soll es dann einen richtigen Paukenschlag geben. Wir denken auch drüber nach, in diesem Rahmen nochmals ein Festival aufzuziehen. Wir hatten ja ursprünglich überlegt, so was jedes Jahr oder zumindest zum Abschluss jeder Tour zu machen. Aber leider ist dafür der Aufwand doch zu groß. Ansonsten werden wir wahrscheinlich ein Stück zu einem Computerspiel beisteuern, das sehr gut zu uns passt. Genaueres kann ich da aber noch nicht verraten, nur dass beide Seiten von der Zusammenarbeit profitieren würden. Sollte das klappen, würden wir wahrscheinlich noch eine EP dazu rausbringen.

Ich habe ja auch noch für die Nuclear-Blast-CD Vocals für einen Track eingesungen. Der Track stammt von Victor Smolski und er hatte ihn für seine alte Band geschrieben. Es ist auf alle Fälle ein typischer Metal-Song. Nicht zu vergessen: Wir arbeiten auch einem Orchester-Album, für das André (Guardian-Gitarrist –d. Verf.) und ich die Musik schon parallel zum letzten Album geschrieben haben. So haben wir das Album mittlerweile zu 90% musikalisch erfasst. Fraglich ist, ob es unter dem Guardian-Banner laufen wird. Das machen wir davon abhängig, ob wir die anderen auch darin involvieren können. Das wäre mir auch wesentlich lieber, denn dann hätten wir noch eine Dimension mehr im Sound. Textlich hatte ich an etwas von Tolkien gedacht, wobei der Hype um die Filme etwas dagegen spricht. Wann das Album rauskommen wird, ist aber auch noch nicht klar. Vielleicht bringen wir erst wieder ein normales Album raus.

Hansi, ich danke dir für das Gespräch! Ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft und dann bis zu den Sommer-Festivals!
Ja, da werden wir uns auf jeden Fall sehen!


Autor: Timo Päßler, transl. K. Weber, photos: Blind Guardian
Eingetragen am: 2007-05-19

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